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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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zu ignorieren. Ich wollte Ihnen nichts davon sagen …« Sie stieß einen dieser kurzen Lacher aus, nach denen man meist in Tränen ausbricht. »Ich habe mich gefragt, was es für einen Sinn hat. Aber dann …« Ihre Stimme verlor sich.
    »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Anne. Es ist schon okay.«
    »Sind Sie das auch?«
    »Was?«
    »Okay.«
    »Warum sollte ich das nicht sein?«
    Ich machte die Augen zu, spürte aber immer noch ihren Blick auf meinem Gesicht.
    »Vielleicht weil Ihr eigener Vater in der Firma gegen Sie intrigiert? Vor einem Monat hätte ich Ihnen noch geglaubt, wenn Sie gesagt hätten, das sei Ihnen egal. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Mein Vater ›intrigiert‹ nicht gegen mich.« Wahrscheinlich wollte ich eher mich als sie davon überzeugen. »Er intrigiert gegen Paul Trainer. Es geht nur ums Geschäft, Anne. Mit mir hat das nichts zu tun.«
    Einen Moment lang glaubte ich, sie würde sich damit zufriedengeben, aber ich hatte mich geirrt.
    »In Ordnung. Dann bleiben Sie eben hier sitzen und machen sich etwas vor, wenn Sie das so wollen. Sie bleiben einfach sitzen und lassen zu, dass Ihr Vater Terra übernimmt und Sie hochkant rauswirft. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass es bei der Sache auch um Sie geht. Es sollte nicht so sein, aber leider ist es nun mal so.«
    Die Tatsache, dass sie recht hatte und es nicht einfach dabei beließ, löste etwas in mir aus. Ich sprang auf und wies mit dem Zeigefinger auf sie.
    »Was, zum Teufel, wollen Sie eigentlich von mir? Wollen Sie, dass ich so werde wie Sie? Dass ich alles aufgebe und für zwanzigtausend im Jahr für eine Organisation arbeite, deren einziger Zweck es ist, ihren Mitarbeitern das Gefühl zu geben, sie wären etwas Besseres? Wollen Sie, dass ich mein Leben damit verbringe, einem Mann Kaffee zu holen, der gerade seine Seele an den Syndikus des größten Tabakunternehmens der Welt verkauft hat – für ein paar Dollar und einige Minuten Sendezeit im Fernsehen?«
    Und so ging es eine ganze Weile weiter. Anne saß einfach nur da, mit einem Ausdruck der Verzweiflung auf dem Gesicht, den ich gar nicht bemerkte, weil ich mich viel zu sehr aufregte. Als ich endlich mit meiner Tirade fertig war, ging ich allen Ernstes davon aus, dass sie auf mich losgehen würde, so, wie sie es an dem Abend bei mir zu Hause getan hatte. Aber sie rührte sich nicht vom Fleck. Etwa dreißig Sekunden lang bewegte sich absolut nichts in dem Zimmer, bis auf das Licht von Autoscheinwerfern, das durch das Fenster hinter ihr drang. Erst dann wurde mir klar, dass ich ihr wehgetan hatte. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass ich das überhaupt konnte.
    »Anne, ich …«
    »Ich dachte, das hätten wir schon hinter uns«, unterbrach sie meine Entschuldigung. »Es hängt mir zum Hals raus, ständig von Ihnen hören zu müssen, was mit der Tabakindustrie und der Anti-Tabak-Lobby und der Regierung alles schiefläuft, und warum es Sie überhaupt nichts angeht. Ich dachte, wir wären uns darüber einig gewesen, dass es Sie doch etwas angeht.«
    Ich ließ mich wieder auf das Sofa fallen, und zu meiner Überraschung blieb sie einfach sitzen.
    Ich fragte mich, was sie sah, wenn sie mich so intensiv anstarrte. Vermutlich nicht viel. Mir kam immer mehr der Verdacht, dass es vielleicht einen Grund dafür gab, warum ich niemanden hatte, den ich ohne Wenn und Aber als Freund bezeichnen konnte. In den letzten fünfundzwanzig Jahren hatte ich mir immer vorgemacht, es würde daran liegen, dass alle anderen oberflächlich und blind und kaltschnäuzig waren, aber war das wirklich so? Lag es nicht eher daran, dass ich so einfach abzuschreiben war? Ich hatte den größten Teil meines Lebens mit dem Versuch verbracht, einfach zu verschwinden. War ich zu gut darin geworden?
    »Meine Mutter hat erst nach meiner Geburt mit dem Rauchen angefangen«, sagte Anne und riss mich damit aus meinen Gedanken.
    »Entschuldigung?«
    »Sie hat neunzehnhundertsiebzig angefangen. Irgendwie ironisch – nur ein paar Jahre, nachdem das mit den staatlichen Warnhinweisen angefangen hat. Mein Vater war Alkoholiker. Im Vergleich zu ihm ist Ihr Vater ein Heiliger. Meine Mutter hat es nie zugeben wollen, aber ich bin kein Wunschkind gewesen. Ich glaube, sie hat mit dem Rauchen angefangen, weil sie mit meiner Erziehung und dem Alkoholproblem meines Vaters überfordert war.«
    »Anne, Sie können doch nicht …«
    »Sie redete immer davon, ihn verlassen zu wollen. Und dann ist mein Vater gegangen, und wir waren

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