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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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verklagen willst?«
    Sie lehnte sich zurück und starrte durch das Fenster auf die Landschaft, die an uns vorbeizog. Eine Antwort bekam ich nicht.

ZWEIUNDVIERZIG
    »Wieso habe ich mich zu so etwas überreden lassen?« Anne verdrehte die Augen und ging weiter durch das feuchte Gras.
    Bis auf die umgekehrte Blickrichtung sah alles genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Die Bühne, auf der ich vor einer Woche meine Rede gehalten hatte, stand immer noch. Sie wurde von der riesigen Zigarettenfabrik eingerahmt und war an der höchsten Stelle des natürlichen Gefälles platziert worden. Doch jetzt waren mindestens doppelt so viele Zuschauer hier wie letzte Woche. Ich nahm es nicht persönlich.
    »Findest nicht, dass wir jetzt nah genug sind?«, fragte ich, während ich meine Ellbogen und Schultern einsetzte, um nicht in der Menge stecken zu bleiben.
    »Jetzt hör schon auf zu jammern«, sagte Anne. »Willst du denn keinen guten Blick haben?«
    »Nein.«
    Sie ignorierte mich und fuhr fort, sich durch die schwitzende Masse zu drängen. Da ich mich krampfhaft bemühte, nur ja keinen Augenkontakt mit jemandem herzustellen, stolperte ich und wäre fast auf ein kleines Kind gefallen. Als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, stellte ich fest, dass die Leute mich anstarrten. Ich rührte mich nicht vom Fleck und wartete darauf, dass etwas passierte. Aber es blieb alles ruhig. Einen Moment später zog Anne an meiner Hand, und ich ging weiter.
    Die Kunde von meiner Anwesenheit breitete sich schneller aus, als wir laufen konnten, und nach kurzer Zeit teilte sich die Menge vor uns und bildete einen Korridor, der gerade so breit war, dass wir hindurchgehen konnten. Ein Mann in einem abgenutzten Overall schob seine Tochter hinter sich, als würde er denken, ich könnte sie überfallen. Eine Frau mit einer Hornbrille verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mich böse an. Ein Teenager, der wie ein Footballspieler von der örtlichen Highschool aussah, trat vor, wie um zu beweisen, dass er keine Angst hatte, gab dann aber doch den Weg frei.
    Es dauerte fünf unangenehme Minuten, bis es Anne gelungen war, uns genau vor das Rednerpult zu bringen. Zwischen uns und der Bühne lagen etwa sechs Meter, aber es war so nah, wie wir aufgrund der gelben Barrikaden und die Sicherheitsbeamten herankommen konnten. Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass die Hauptperson zu spät kam – genau wie ich vor einer Woche. Wir standen mitten in der Sonne und der Schweiß floss mir inzwischen in Strömen herunter, sodass sich äußerst unschöne Flecken auf dem dünnen Stoff meines Hemds ausbreiteten. Anne hatte die Geistesgegenwart besessen, einen riesigen Hut aufzusetzen, der ihren Körper fast völlig beschattete und sie von oben gesehen praktisch unsichtbar machte. Er war dunkelrot und ließ sie zusammen mit einem leichten Sommerkleid in einer ähnlichen Farbe wie eine Brautjungfer auf der Hochzeit einer Weintraube aussehen. Diesen Eindruck behielt ich selbstverständlich für mich.
    Es vergingen weitere fünf Minuten, bis mein Vater vital wie ein Jungspund und mit perfekt frisiertem Haar die Treppe zur Bühne hochlief. Höflicher Applaus erfüllte die Luft, doch es gab einen lautstarken Abweichler. Anne begann zu buhen.
    Ich stieß sie in die Seite. »Hör auf. Das gibt mit Sicherheit Ärger.«
    Sie legte den Kopf in den Nacken, sodass ihr Gesicht unter dem Hutrand zum Vorschein kam. »Versuch’s mal. Es macht Spaß.«
    Ich muss zugeben, dass die Idee ihren Reiz hatte. Also legte ich die Hände an den Mund und versuchte es probehalber mit einem Buhruf. Es hörte sich gut an, und in den nächsten legte ich etwas mehr Gefühl. Mein Vater ignorierte uns geflissentlich, doch die Leute in unserer Nähe traten einen Schritt zurück.
    »Guten Tag. Ich bin Edwin Barnett. Viele von Ihnen wissen bereits, dass ich Paul Trainer als neuer Vorstandsvorsitzender von Terracorp ablösen werde.«
    Der Applaus verstummte, und ich hielt Anne den Mund zu, wofür sie mich in die Hand biss.
    »Ich weiß, dass die letzten Wochen sehr hart für Sie gewesen sind, und dafür möchte ich mich im Namen der Firma entschuldigen. Wenn ich Vorstandsvorsitzender bin, werde ich als Erstes dafür sorgen, dass alle wieder an die Arbeit gehen.«
    Das brachte ihm noch eine Runde Applaus ein, der allerdings nicht ganz so donnernd ausfiel, wie man das erwarten würde.
    »Ich werde ehrlich zu Ihnen sein …«
    Das schien mir dann doch mehr als unwahrscheinlich zu

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