Das Abkommen
ich es nicht fertig wegzusehen. Annes tote Mutter schien mir etwas sagen zu wollen.
Erst tötest du mich, und dann machst du dich an meine Tochter ran. Geht es darum?
»Trevor?«
Mit Mühe riss ich mich von dem Foto los und sah Anne an. »Tut mir leid. Haben Sie etwas gesagt?«
»Ich sagte, dass ich nicht weiß, was Sie von mir erwarten. Erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen dabei helfe, sich bei diesen Leuten anzubiedern? Es ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen, aber ich bin kein großer Fan von Tabak.«
»Anne, ich habe nichts davon gesagt, dass Sie nett sein müssen. In der Firma sind in der letzten Zeit einige merkwürdige Sachen passiert, und ich habe keine Ahnung, warum ich überhaupt eingeladen wurde. Mein Vater und ich … sagen wir einfach, dass wir uns nicht so gut verstehen.«
Sie machte den Mund auf, zweifellos, um mir mechanisch ihr Mitgefühl auszusprechen, aber ich redete einfach weiter.
»Es wäre also schön, wenn ich dort mit jemandem hingehen könnte, dessen Einstellung ich kenne. Egal, wie diese Einstellung auch aussieht.«
Sie dachte kurz darüber nach.
»Ich halte das für keine gute Idee, Trevor.«
»Warum sehen Sie es denn nicht als gute Gelegenheit zum Spionieren an?«, fragte ich. »Ein unzensierter Einblick in Big Tobacco. Kennen Sie Anti-Tabak-Lobbyisten, die schon auf so einer Party gewesen sind?«
Es musste funktionieren. Ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nie wieder hierherkommen würde, wenn sie jetzt nein sagte.
»Ich … ich habe nichts zum Anziehen.«
Die Armani-Ausrede. Meiner begrenzten Erfahrung nach war das in der Regel die letzte Verteidigungslinie einer Frau.
»Kaufen Sie sich was.«
»Das kann ich mir nicht leisten.«
»Sie können es getrost auf Ihre Spesenabrechnung setzen. Sagen Sie John, dass ich es genehmigt habe.«
Als sie nach fünf Sekunden noch keine andere Ausrede gefunden hatte, spürte ich, dass ich gewonnen hatte.
»Dann hole ich Sie gegen 11.30 Uhr ab, in Ordnung?«
VIERZEHN
»Hm.«
»Was?«
»Ich suche gerade nach dem Gärtner.«
Ich grinste und fuhr etwas schneller über die endlos lange Schotterstraße, die zum Haus meines Vaters führte. Die Eichen zu beiden Seiten der Straße – auf den verschwommenen alten Fotos, die mein Urgroßvater mit seinem gerade erst erfundenen Fotoapparat gemacht hatte, waren es nur ein paar mickrige Stöcke mit ein paar Zweigen dran gewesen – waren inzwischen fünfzehn Meter hoch. Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg zwischen den Ästen hindurch und tauchten Anne in ein unruhiges Licht.
Sie hatte sich aus dem Fenster gelehnt, wohl, um es sich auf dem lederbezogenen Beifahrersitz nicht zu bequem zu machen. Ihr Kleid war cremefarben mit einem Muster aus großen roten Punkten. Es stand ihr sehr gut, aber es sah aus, als hätte sie es sich geliehen. Offenbar war sie meinem Vorschlag, ihr Spesenkonto mit dem Kauf eines neuen Kleids zu belasten, nicht gefolgt.
Am interessantesten waren jedoch ihre Beine. Das soll jetzt nicht ordinär oder so klingen, aber da sie damit beschäftigt war, sich Urgroßpapas Landschaftsgärtnerei anzusehen, konnte ich ungestört auf ihre Beine starren – solange ich den Wagen nicht gegen eine der Eichen fuhr. Die Kleidung, die sie bei der Arbeit trug – ob nun mit Absicht oder durch Zufall –, versteckte ihre Figur und hinterließ keinen anderen Eindruck als den, dass Anne ziemlich dünn war. Die überraschende Wahrheit bestand jedoch darin, dass sie perfekt war. Lange, elegante Beine mit glatter, gebräunter Haut. Kleine, runde Br … Sie wissen, was ich meine.
»Wie viele Quadratmeter sind das denn? Es scheint endlos so weiter zu gehen.«
»Ich weiß es nicht. Eigentlich habe ich noch nie darüber nachgedacht.«
Sie trug kein Make-up, und einer ihrer Schneidezähne hatte einen Fleck, der ein paar Schattierungen zu weiß war, was ihr etwas Gesundes, Authentisches verlieh, bei dem die Barbiepuppen, mit denen ich bisher ausgegangen war, entsetzt aufgeschrien hätten. Ihre Haare, die sie heute wieder offen trug, wirbelten, ungehindert von Haarspray, durcheinander, während sie sich noch etwas weiter aus dem Fenster beugte.
Ich konnte nicht verhindern, dass mein Lächeln noch breiter wurde. Als ich Anne so sah, eingerahmt von den alten Bäumen und blühenden Hecken, und ihr Shampoo in der warmen Luft roch … Ich spürte ein ungewohntes, aber nicht unangenehmes Gefühl in meiner Magengegend, auf das die plötzliche Erkenntnis folgte, dass ich sie liebte.
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