Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
Vom Netzwerk:
hast.«
    Mein Großvater hatte ein geradezu perverses Vergnügen daran gehabt, meinen Vater »das kleinste Ferkel im Wurf« zu nennen. Es war keine sehr schmeichelhafte Beschreibung, aber meiner Meinung nach ziemlich zutreffend. Mein Vater war ein einsachtundsiebzig großer, nicht sehr muskulöser Mann mit dunklem, schütterem Haar in einer Familie mit lauter Wikingern. Selbst bei seinem Tod mit vierundsiebzig (an einer Staphylokokkeninfektion, nicht an Krebs) war mein Großvater noch zwei Zentimeter größer als ich gewesen. Meine beiden Onkel waren noch größer gewesen, doch beide waren jung gestorben (Auto- bzw. Jagdunfall).
    Großvater war am Boden zerstört gewesen, als seine großen, gut aussehenden Söhne starben. Nachdem mein Vater keine Konkurrenz mehr hatte, hatte er versucht, an die Stelle seiner Brüder zu treten und der liebende Sohn zu sein, aber es hatte nicht funktioniert. Egal, wie sehr er zu helfen versuchte, egal, wie gut seine Noten waren, egal, wie schnell er sich bei Terra in die Vorstandsetage emporarbeitete, Großpapa kam nie über den Tod seiner blonden Footballstars hinweg.
    »Wie läuft es mit der Arbeit, Trevor? Ich schätze mal, dass wir dich ganz schön auf Trab halten.«
    »O ja«, erwiderte ich, wobei ich aus irgendeinem Grund versuchte, genauso laut zu sprechen wie er. »Aber ich habe sicher nicht so viel zu tun wie du.«
    So ging es dann drei Minuten lang weiter – was ziemlich lang war, wenn man peinliche Pausen vermeiden wollte und sich eigentlich nichts zu sagen hatte. Über seine Schulter hinweg sah ich Anne, die uns genauso distanziert beobachtete wie die anderen Gäste. Plötzlich unterbrach mein Vater das, was man als verbalen Austausch bezeichnen konnte, klopfte mir auf den Rücken und forderte mich auf, mir etwas zu trinken zu holen. Dann drehte er sich um und verschwand. Es war ein ziemlich deutlicher Hinweis auf das, was mir gleich bevorstand.
    »Trevor! Darling!«
    Ich drehte mich langsam um, lächelte und nickte ihr zu. »Hallo, Mom.«
    »Was machst du denn hier, Schätzchen? Ach, ich freu mich ja so, dich zu sehen.«
    Sie blinzelte mit tränenfeuchten Augen und umarmte mich mit etwas Abstand, wobei sie den Kopf so weit nach hinten beugte, dass keine Gefahr bestand, ihr großzügig aufgetragenes Make-up zu ruinieren. Nach ein paar Sekunden ließ sie mich los, und ich führte sie zu der Stelle, an der Anne stand.
    »Mom, ich würde dir gern Anne vorstellen.«
    Die beiden Frauen gaben sich stumm die Hand, während meine Mutter etwas perplex aussah. Sie dachte mit Sicherheit, dass Anne mit einer anderen Haarfarbe, einer Dauerwelle, einem Wonderbra und einem Kleid mit mehr Rüschen fast vorzeigbar gewesen wäre.
    »Schön, Sie wiederzusehen«, sagte Mutter zu Anne. Dann drehte sie sich zu mir. »Ihr geht aber auf keinen Fall, bevor wir uns unterhalten haben.«
    Und dann war sie weg.
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, Ihrer Mutter schon einmal begegnet zu sein«, sagte Anne, als meine Mutter außer Hörweite war.
    Ich zitierte ein T-Shirt, das Darius vor einigen Jahren hatte drucken lassen, zur Erinnerung an eine Party, bei der er ein ganzes Kilo von Drogenpilzen unter die Gäste gebracht hatte. »Du bist nicht da gewesen, aber ich habe dich trotzdem gesehen.«
    Sie wollte etwas sagen, doch ich schnitt ihr das Wort ab.
    »Finden Sie nicht, dass wir jetzt einen Drink brauchen? Ich glaube, wir brauchen jetzt einen Drink.«
    »Einverstanden.«
    Die anderen Gäste schienen sich inzwischen an meine Anwesenheit gewöhnt zu haben, und ich wurde mit Lächeln und Kopfnicken begrüßt, während wir zu einem Tisch gingen, auf dem Flaschen und Gläser standen. Der Mann, der hinter dem Tisch stand, war schwarz, genau wie die Leute, die gebrauchte Teller und Gläser von den Tischen räumten, Horsd’œuvres auf Silbertabletts anboten und Sonnenschirme zurechtrückten, um für genau die richtige Menge an Schatten zu sorgen. Wenn man ihn darauf ansprechen würde, würde mein Vater mit Sicherheit behaupten, er tue damit seinen Teil zur Förderung von Minderheiten, aber ich glaube, es erinnerte ihn an eine Zeit, in der er gern gelebt hätte.
    »Ein Bier, bitte«, sagte ich. »Anne?«
    »Für mich auch.«
    Wir schraubten gerade die Kronkorken ab, als ich eine mächtige Pranke auf meiner Schulter spürte.
    »Ich habe Sie im Fernsehen gesehen. Sie hätten dieser Primadonna eine scheuern sollen.«
    »Anne, kennen Sie den Kongressabgeordneten Sweeny?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Was meinen Sie

Weitere Kostenlose Bücher