Das Abkommen
Kongressabgeordneten Sweeny zusteuerte.
»Historische Personen pflegen im Lauf der Zeit zu Karikaturen zu werden, finden Sie nicht, Trevor? Entweder sind sie sehr gut oder sehr böse.«
Ich nickte. Vermutlich beobachtete er mich hinter diesen alten Augenlidern.
»Sie sind in Duke gewesen, stimmt’s?«
»Aber nicht lange, Mr Trainer. Ich habe dort einen Teil meines Hauptstudiums gemacht.«
»Aber Sie haben Ihr Studium nicht abgeschlossen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Man hat mich rausgeworfen.«
»Wie haben Sie das denn geschafft?«
»Der wahre Grund oder das, was sie gesagt haben?«
»Der wahre Grund. Was sie gesagt haben, weiß ich.«
»Es lag an meiner Abschlussarbeit … Ich wollte DNS-Tests mit Afroamerikanern machen, die ihre Vorfahren bis zu den Sklaven zurückverfolgen können, die für die reichen Südstaatenfamilien gearbeitet haben. Ich wollte herausfinden, wie viel weißes Blut in ihren Adern fließt.«
Er lachte lauthals los. Es war das erste Mal, dass ich es miterlebte. Ehrlich gesagt war es ein beängstigendes Ritual: Zuerst zog er seine aufgesprungenen Lippen zurück, die große, von Tabak vergilbte Zähne freigaben, und dann drang ein lautes, einsilbiges Bellen aus seiner Kehle.
»Was haben sie gesagt, als sie herausgefunden haben, was Sie vorhatten?«
»Sie sagten, es wäre keine, ähm, sinnvolle Ergänzung der Informationsbasis.«
»Ich hätte alles gegeben, um diese Arbeit lesen können«, sagte er unter heftigem Husten, das der Lachanfall ausgelöst hatte. »Aber sie wäre sicher nicht so brillant gewesen wie Ihre Aktennotiz, in der Sie vorgeschlagen haben, Pamela Anderson als Sprecherin der Tabakindustrie anzuheuern.«
»Sie … Sie haben sie gelesen?«
»Ob ich sie gelesen habe? Sie hängt noch immer bei mir zu Hause über meinem Schreibtisch.«
Ich war mir nicht sicher, was ich darauf antworten sollte.
»Und was ist mit uns, Trevor? Wie sieht unser Platz in der Geschichte aus?«
Ich war mir schon wieder nicht sicher, was ich antworten sollte.
»Stimmt etwas nicht, mein Junge?«
»Ich glaube, ich bin nicht unbedingt dazu qualifiziert, Ihnen eine Vorlesung über die Tabakindustrie zu halten.«
»Das ist eine Party, Trevor. Wir unterhalten uns nur miteinander. Das tut man auf Partys.«
»Ich glaube nicht, dass ich dazu etwas zu sagen habe, das Ihre Zeit wert wäre.«
»Sehen Sie mal da rüber«, sagte Trainer, während er auf die Menschen deutete, die auf dem Rasen meines Vaters standen. »Exakt drei Viertel dieser Leute würden mir gern in den Hintern kriechen, und das andere Viertel will, dass ich ihnen in den Hintern krieche. Heute habe ich weder für das eine noch das andere Lust. Alles, was nichts mit ihnen zu tun hat, ist meine Zeit wert.«
Vermutlich fing ich gerade an, mir mein eigenes Grab zu schaufeln – und um alle, die ich bis jetzt noch nicht verprellt hatte, würde sich mit Sicherheit Anne kümmern. »Ich glaube, die Tabakindustrie ist ein Opfer ihrer Geschichte, Mr Trainer. Seit hundert Jahren terrorisieren wir die Regierungen der Bundesstaaten und Washingtons – sie sind vor Angst wie gelähmt. Bis jetzt ist das auch alles zu unserem Vorteil gewesen. Doch angesichts der vielen Prozesse wird uns diese Lähmung bald zum Verhängnis werden.«
»So, wie Sie das sagen, klingt das … abscheulich.«
»Trotz unserer regelmäßigen Dementis bringen wir pro Jahr fast eine halbe Million Menschen um.«
Es war eine mutige Bemerkung, und ich war froh, dass ich sie gemacht hatte. Sie würde den Eindruck etwas korrigieren, den ich durch das Videospieldebakel, wie ich es fortan nennen würde, hervorgerufen hatte.
»Das ist nicht ganz richtig, Trevor. Wir verkaufen ein Produkt, das es angeblich fast einer halben Million Menschen möglich macht, sich umzubringen.«
»Sagen Sie das bloß nicht zu laut, sonst hängt man uns noch einen Prozess wegen Beihilfe zum Selbstmord an.«
»Sie glauben also wirklich, dass Kongress und Präsident sich einfach zurücklehnen und zusehen werden, wie die Gerichte uns in Stücke reißen?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Die Welt hat sich verändert, wir dagegen haben diese Veränderungen nicht mitgemacht. Wir löschen nur noch einzelne Brandherde …«
Mir wurde klar, dass ich vielleicht zu weit ging. Trainer selbst setzte diese aussichtslose Strategie nun schon seit zwanzig Jahren um. Ich versuchte, eine Möglichkeit zu finden, um etwas zurückzurudern, als plötzlich Anne auftauchte.
»Trevor …«
»Mr Trainer, ich würde
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