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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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hilflos sein. Ich bin bald vierzig, und ich sage mir immer wieder, werde erwachsen. Aber es scheint, als würde ich das nie.« Er begann zu schluchzen.
    »Frank, komm, laß dich jetzt nicht gehen. Du bist erwachsen, doch du hast vielleicht noch nicht gelernt, damit umzugehen. Manche Menschen werden oder wollen einfach nicht erwachsen werden.«
    »Schon gut«, sagte er, nachdem er sich beruhigt hatte. »Vielleicht hast du ja recht. Aber manchmal weiß ich eben nicht mehr, was ich noch tun soll. Ich habe dir alles erzählt, du kennst mein Leben womöglich besser, als ich selbst es kenne. Im Augenblick jedenfalls erscheint mir alles wie ein großes, schwarzes Loch. Ich bin allein, ich habe kein Geld, ich habe nichts. Und diesen Zustand kannst du dir nicht einmal vorstellen.«
    »Nein, kann ich nicht. So wenig, wie du dir den meinen vorstellen kannst. Aber ich sage dir jetzt eines, auch wenn es mir schwerfällt – ich habe dich nie vergessen. Nie, hörst du. Es ist, als ob eine unsichtbare Macht uns zusammenhält.«
    »Genauso habe ich gefühlt. Ich . . .«
    »Nein, sag nichts. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, daß es mir leid tut. Ich weiß, ich habe dich verletzt. Wahrscheinlich sogar zu sehr. Frank . . .«
    »Ja?«
    »Ich habe niemals einen anderen Mann so sehr geliebt wie dich. Das ist die Wahrheit. Meinst du, es gibt einen Weg für uns beide? Einen Weg, den wir zusammen gehen können? Ich würde so gern mit dir zusammensein.« Sie stockte, rang mit sich, ob sie das, was sie sagen wollte, auch sagen sollte, schließlich entschied ihr Herz. »Ich bin jetzt dreißig Jahre alt, ich wollte immer Kinder, aber du warst der einzige, mit dem ich welche haben wollte. Ich habe dich geliebt, so sehr, daß mein Verstand und mein Herz aussetzten. Und irgendwann dachte ich, ich könnte dich vergessen . . . Aber ich habe es nicht geschafft. Ich weiß nicht, ob es Zufälle gibt, aber irgend jemand hat einmal gesagt, Zufälle sind das Synonym, das Gott benutzt, wenn er nicht mit seinem eigenen Namen unterschreiben will. Und einer dieser Zufälle war, daß ich dich in dem Café traf. Oder du mich, wie auch immer. Gehören wir zusammen? Sag es mir.«
    »Ja, verdammt noch mal! Wir gehören zusammen. Manchmal scheint es mir, als wären wir Zwillinge. Und selbst wenn Tausende von Kilometern uns trennen – wir sind eins. Hörst du, wir gehören zusammen! Meine Vergangenheit ist abgehakt. Ich will dich, aber nicht wegen deines Geldes, niemals.«
    »Aber ich habe Geld . . .«
    »Ich weiß …«
    »Viel Geld und Besitz. Ich habe die letzten Tage viel nachgedacht, und ich möchte niemals, daß du mich wegen des Geldes – heiratest.«
    »Heiraten?« fragte Hellmer fassungslos.
    »Ich wollte dich seit dem ersten Augenblick, als ich dich sah. Du warst der Mann, den ich mir immer vorgestellt habe. Und jetzt gleich, nach dem letzten Satz, werde ich auflegen – okay?«
    »Welcher Satz?«
    »Ich liebe dich.«
    Sie hielt ihr Versprechen, wie sie ihre Versprechen immer gehalten hatte. Hellmer hielt einen kurzen Moment den Hörer in der Hand, lächelte versonnen, schließlich legte er ihn auf. Innerlich jubelte er, fühlte er sich von Fesseln befreit, aber immer noch waren in ihm Zweifel. Er ging zum Kühlschrank, riß den Verschluß einer Dose Bier auf, trank sie aus.
    Er legte sich ins Bett, starrte lange an die Decke, bis seine Augen zufielen.

Montag, 22.30 Uhr
     
    »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?« fragte Mathilde, die in der Tür stand und den weißhaarigen Mann hinter dem Schreibtisch ansah. Er hatte die Bibel aufgeschlagen vor sich liegen, machte sich einige Notizen und blickte auf, als die Frage an ihn ging. Er schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich brauche Sie für heute nicht mehr. Ich werde auch nicht mehr lange machen, außerdem erwarte ich noch Besuch. Er wird aber nicht lange bleiben.«
    »Sie sollten besser auf sich aufpassen«, sagte Mathilde, die Haushälterin. »Sie muten sich in der letzten Zeit zuviel zu …«
    »Ach«, erwiderte er lächelnd, »es ist meine Aufgabe und Berufung, daß ich mir viel zumute. Wenn ich es nicht täte, würde ich meiner Berufung und meinem Amt nicht gerecht werden.«
    »Aber Ihre Gesundheit?«
    »Meine Gesundheit liegt in Gottes Hand. Ich habe meinLeben Gott geweiht, und er wird schon dafür sorgen, daß es in Würde und Frieden beendet wird. Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Gute Nacht.«
    Er wandte sich wieder der Bibel zu, schrieb etwas auf den Block, die Tür schloß sich fast

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