Das achte Opfer
zu sagen hat.« Berger lehnte sich zurück, sah den jungen Beamten an. »Und jetzt zu Ihnen; was hat Ihr Besuch bei der Kartenlegerin ergeben?«
»Nun«, er räusperte sich und lächelte verhalten, »eigentlich nicht viel. Sie hat mir die Karten gelegt und darauf bestanden, daß ich ihr keine Informationen über mich gebe. Sie hat mir alles mögliche aus meiner Vergangenheit erzählt, doch kaum etwas davon stimmte. Ich habe aber schön brav genickt, habe mir ihre Zukunftsprognosen angehört … Wie beiläufig deutete ich am Ende der Sitzung auf das Bild von Schnell und fragte, ob das ihr Mann sei, worauf sie antwortete, noch nicht, aber bald. Aha, sagte ich, Sie sind verlobt und werden in Kürze heiraten. Worauf sie antwortete, ja, wahrscheinlich schon in ein paar Monaten. Ich habe mich während der Sitzung auch ein wenig näher im Zimmer umgesehen, natürlich so, daß sie es nicht merkte, aber nicht nur die Wohnung gehört zur gehobenen Mietsklasse, auch die Einrichtung ist vom Feinsten, und die Klamotten, die sie trug, hat sie mit Sicherheit nicht bei C&A gekauft. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sich diesen Luxus allein vom Kartenlegen leisten kann. Da steckt noch ein Geldgeber dahinter, und für mich kommt jetzt natürlich in allererster Linie Schnell in Frage. Womit sich natürlich die Frage stellt, woher hat ein Hauptkommissar so viel Geld, daß er eine Familie und eine Geliebte so großzügig versorgen kann? Und die Frau ist nicht älter als Mitte Dreißig, sieht phantastisch aus, und ich frage mich ernsthaft, was sie an diesem Mann interessiert. Sie könnte an jedem Finger zehn Männer haben, aber sie hat sich offensichtlich für Schnell entschieden, aus welchen Gründen auch immer.«
»Vielleicht, weil er Geld hat. Wobei wir noch nicht wissen, woher«, meinte Hellmer nach einem tiefen Zug an der Zigarette.
»Und was ist, wenn wir uns täuschen und Schnell gar kein Geldgeber ist?« fragte Julia Durant.
»Das würde dann heißen, daß es zwischen den beiden einereine Liebesbeziehung ist, was ich gelinde gesagt für ziemlich ausgeschlossen halte«, sagte der junge Beamte. »Eine solche Klassefrau geht nicht einfach so mir nichts, dir nichts eine Liebesbeziehung mit einem Mann ein, der fast ihr Vater sein könnte. Schnells Leben sollte genauestens durchleuchtet werden. Ich fürchte, der Mann steckt ganz schön tief in der Scheiße.«
»Wir werden auf jeden Fall am Ball bleiben, was Schnell betrifft«, sagte Berger. »Gute Arbeit«, fügte er anerkennend hinzu, worauf der junge Beamte einen roten Kopf bekam und verlegen lächelte.
Julia Durant blickte zur Uhr, Viertel nach zwei. Sie sagte: »Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen zu Matthäus’ Beerdigung. Ich nehme an, wir sind so gegen halb fünf wieder hier. Wird der Profiler noch heute nachmittag ins Präsidium kommen?«
»Ja, er kommt direkt vom Flughafen hierher. Richten Sie sich auf einen langen Abend ein. Ach ja, bevor ich’s vergesse, ich habe zwei Fotografen zur Beerdigung geschickt, die getarnt als Friedhofsgärtner Fotos und ein Video von den Trauergästen machen werden.«
Julia Durant lächelte, während sie und Hellmer sich erhoben. Hellmer verspürte ein leichtes Zittern in den Händen und den Armen, er hatte seit gestern abend keinen Tropfen Alkohol getrunken. Dazu kam eine leichte, aber bohrende Übelkeit, doch er versuchte, sich seinen Zustand den anderen gegenüber nicht anmerken zu lassen. Er hatte nach dem Telefonat mit Nadine Neuhaus beschlossen, seinem Leben eine Wende zu geben, und das hieß für ihn unter anderem, nicht mehr zu trinken. Die Zukunft war kein schwarzes Loch mehr, die Zukunft hatte wieder ein freundlicheres Gesicht bekommen.
Sie fuhren zum Hauptfriedhof, wo bereits eine ganze Autokolonneparkte. Immer mehr kamen angefahren, um Matthäus das letzte Geleit zu geben.
»Ein ganz schöner Menschenauflauf«, sagte Hellmer. »Bin mal gespannt, ob wir jemand Bekanntes finden.«
»Mit Sicherheit, nur ist die Frage, ob auch der Mörder dasein wird.«
»Ich könnte es mir vorstellen. Vielleicht verschafft ihm die Beerdigung den letzten Kick. Ich finde die Idee von Berger übrigens gut, die ganze Zeremonie fotografieren zu lassen.« Sie mischten sich unter die Trauergäste und begaben sich zur Trauerhalle, wo bereits alle Plätze besetzt waren und etwa hundert Trauernde draußen stehen bleiben mußten. Um Punkt drei begann der Trauergottesdienst, um zwanzig nach drei wurde der Sarg aus der Kapelle geschoben.
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