Das achte Opfer
Bar befand sich links davon. Die Einrichtung bestand aus einer grünen Ledergarnitur und einem kunstvoll gestalteten Tisch, dessen Glasplatte auf einem wuchtigen Marmorständer lag, die Schritte wurden gedämpft von etlichen, zum Teil übereinander liegenden Teppichen. Die Fenster waren geschlossen, und obgleich die Wohnung direkt unter dem Dach lag, war es angenehm kühl. Vom Wohnzimmer führten vier Stufen zu zwei weiteren Zimmern. Eines davon war das Schlafzimmer, das andere offensichtlich für Gästebestimmt. Außerdem gab es noch ein Bad und eine Dusche und eine kleine, aber exzellent ausgestattete Küche.
»Hier ist er nicht«, sagte Julia Durant, nachdem sie jedes Zimmer inspiziert hatten. »Aber wo kann er dann sein?«
»Ruf Berger an und frag, ob Frau Mondrian sich noch einmal gemeldet hat. Vielleicht ist ihr Mann ja inzwischen aufgetaucht.«
»Glaub ich nicht, dann hätte Berger schon selbst angerufen.« Kaum hatte sie den letzten Satz beendet, als ihr Handy klingelte.
»Ja?«
»Hier Berger. Gerade ist ein Zettel für Sie abgegeben worden, ich lese ihn vor. Hier steht:
Wenn Sie Jürgen Mondrian suchen, dann fahren Sie in den Schlesienring 12, erster Stock. Viel Spaß.«
»Schlesienring, wo ist das?« fragte Julia Durant.
»Eckenheim. Sie haben doch einen Stadtplan im Auto.«
»Gut, wir machen uns auf den Weg. Ist schon ein Streifenwagen unterwegs?«
»Schon veranlaßt.«
Sie blickte Hellmer an. »Das war unser Chef. Mondrian finden wir im Schlesienring. Wie er aussieht, kann ich mir lebhaft vorstellen.«
»Ich auch«, sagte Hellmer und verzog die Mundwinkel. »Das heißt dann, daß unser Killer an einem Tag gleich zweimal zugeschlagen hat. Er läßt keine unnötige Zeit verstreichen.«
Er atmete tief ein und stieß die Luft kräftig wieder aus.
»Fahren wir«, sagte die Kommissarin. »In den Schlesienring zwölf.«
Die Wohnung befand sich in einem unscheinbaren und von außen eher unansehnlichen Reihenhaus, das den Baustil der fünfziger Jahre widerspiegelte. Die ehemals angelegten Grünanlagen vor den Häusern waren verkommen und verwildert, die Müllcontainer quollen über und verbreiteten einen intensiven Gestank. Die ganze Straße bestand aus der gleichen Art von Häusern, und es schien wahrscheinlich, daß, wer hier wohnte, recht anonym blieb. Der von Berger geschickte Streifenwagen parkte vor dem Haus, die Haustür stand offen. Die beiden Streifenbeamten warteten vor der Tür im ersten Stock.
»Sie haben die Tür noch nicht öffnen lassen?« fragte Julia Durant.
»Nein, wir hatten Anweisung, auf Sie zu warten.«
»Ist der Hausmeister schon verständigt?«
»Er ist gerade los, um den Zweitschlüssel zu holen.«
Sie warteten schweigend zwei Minuten, bis ein älterer Mann in einem grauen Kittel die Treppe hochkam. Er brabbelte nur etwas Unverständliches vor sich hin, steckte den Schlüssel in das Schloß. Die Tür war nicht abgeschlossen, nur zugezogen.
»Wenn Sie bitte hier warten würden«, sagte die Kommissarin zu den beiden Beamten, während sie und Hellmer die Wohnung betraten. Hellmer rümpfte die Nase, sie gingen über den schmalen, kurzen Flur auf eine angelehnte Tür zu. Sie stießen sie vorsichtig auf. Der nackte Mondrian lag mit weitaufgerissenen Augen, die eigentlich keine Augen mehr waren, auf dem Bett. Neben ihm befanden sich eine Lilie und ein Zettel mit exakt dem gleichen Wortlaut, wie er auch bei Domberger gefunden worden war. Der durchdringende Geruch von Bittermandeln erfüllte das Zimmer, dessen Fenster geschlossen war. Es war spärlich eingerichtet, ein altes Bett, ein schmutziger Stuhl, ein Tisch, ein kleiner, alterSchrank, ein Nachttisch. Auf dem Tisch stand eine angebrochene Flasche Whisky, daneben zwei Gläser, von denen eines nicht angerührt worden war. Julia Durant holte wortlos ihr Handy aus der Tasche und rief Berger an.
»Wir sind da. Mondrian ist tot. Schicken Sie die anderen her. Wir werden nicht lange hierbleiben, sondern gleich weiter zu seiner Frau fahren und ihr die ›freudige‹ Nachricht überbringen.« Sie drückte die Aus-Taste, bevor Berger etwas antworten konnte.
»Sehen wir uns ein bißchen um und warten auf die Spurensicherung und den Arzt. Dann hauen wir gleich wieder ab. Ich hab die Schnauze im Augenblick voll bis oben hin. Kannst du das verstehen?« fragte sie resignierend.
»Klar. Wir rennen wie die Deppen von einem Tatort zum nächsten, und der Killer hat wahrscheinlich schon sein nächstes Opfer im Visier. Warte einfach den
Weitere Kostenlose Bücher