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Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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holte das Schreiben heraus.
Liebe Kommissarin Durant,
    es tut mir leid, Ihnen diese Zeilen schreiben zu müssen, aber ich möchte Sie nur darauf vorbereiten, daß es noch heute nacht ein weiteres Opfer geben wird. Sie werden aber vermutlich erst morgen früh erfahren, um wen es sich handelt, doch es ist ein Mann, der wie die anderen den Tod verdient hat. Er ist Unrat, wertlos, verkommen und zu nichts mehr nütze, als von den Würmern aufgefressen zu werden. Wie heißt es doch in der Schrift: »Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.« Dieser Mann war einst das Salz der Erde, bis er seinen Ruhm und seine Macht mißbrauchte und Dinge tat, die so abscheulich sind, daß der Tod für ihn wie eine Erlösung sein muß.
    Ich werde mich wieder bei Ihnen melden, aber nur noch zweimal. Dann werden Sie auch wissen, wer ich bin. Ich habe keine Angst, denn ich habe nichts zu bereuen. Und schon gar nichts zu verlieren.
    Ich weiß, Ihre Aufgabe ist im Augenblick nicht leicht, doch auch Sie werden wieder ruhigere und friedlichere Tage erleben. Noch einmal, ich schätze und bewundere Sie wegen Ihrer Arbeit. Es müßte mehr Menschen wie Sie geben, dann wäre diese Welt vielleicht nichtganz so verkommen. Ach ja, wie mir inzwischen zu Ohren gekommen ist, wissen Sie bereits einiges über gewisse Decknamen. Und ich denke, nachdem Sie bei Domberger waren, kennen Sie auch meinen, ich habe den Zettel in seinem Terminkalender absichtlich nicht rausgerissen.
    Ihr Cicero
    PS: Ich wäre Ihnen dankbar, würden Sie meinen Decknamen vorläufig für sich behalten. Es gibt nämlich in Ihrem Präsidium und auch an höherer Stelle Leute, die sofort wüßten, wer hinter diesem Namen steckt. Auch Sie, nehme ich an, haben ein starkes Interesse daran, daß der Fall vollständig aufgeklärt wird. Und das kann er nur, wenn ich mich auf Ihr Stillschweigen verlassen kann.
    Sie hielt den Brief eine Weile in Händen, setzte sich auf die Couch, streifte die Schuhe ab und ließ sie zu Boden fallen. Sie konnte sich auf einmal einer gewissen Sympathie für den Mörder nicht erwehren. Sie hätte nicht sagen können, woher dieses Gefühl stammte, aber irgendwie spürte sie eine sonderbare Wärme in seinen Zeilen. Sie empfand sogar so etwas wie Mitleid mit ihm, es schien, als handelte er unter Zwang, ob krankhaft oder nicht, würde sich noch herausstellen. Und dennoch war er ein Mörder, der seine Morde bis ins letzte Detail plante. Und er würde heute abend oder heute nacht einen begehen. Und dann noch zwei. Sie legte das Schreiben auf den Tisch, nahm den überquellenden Aschenbecher, leerte ihn aus, stellte ihn zurück an seinen alten Platz. Danach packte sie die Einkaufstasche aus, plazierte alles auf dem Küchentisch, legte fünf Dosen Bier in den Kühlschrank, während sie die sechstegleich aufriß und mit kräftigen Schlucken trank. Sie rülpste laut und genüßlich, wischte sich über den Mund. Sie schnitt sich zwei Scheiben Brot ab, überlegte einen Moment, ging zum Küchenschrank, sah nach, ob vielleicht noch eine Dose Tomatensuppe da war, denn es war genau das, worauf sie jetzt Appetit hatte, zwei Scheiben Salamibrot und dazu einen Teller Tomatensuppe mit Nudeln und Fleischklößchen und eine oder zwei saure Gurken. Sie wollte heute abend einfach nur entspannen, etwas essen, zwei oder drei Dosen Bier trinken, die Beine hochlegen und fernsehen. Sie riß den Verschluß von der Suppendose auf, schüttete den Inhalt in einen Topf und gab noch einmal die gleiche Menge Wasser dazu. Sie stellte den Topf auf den Elektroherd, wo die Suppe sich langsam erwärmen sollte. Sie schmierte etwas Butter auf die Brote, legte jeweils drei Scheiben Salami darüber und garnierte den Teller noch mit zwei sauren Gurken. Während sie wartete, daß die Suppe heiß wurde, zündete sie sich eine Gauloise an, drückte den Knopf der Fernbedienung für den Fernseher. Nachrichten auf SAT 1. Außer den üblichen politischen Meldungen wurde noch von einem Vorschlag des hessischen Innenministers Bernhardt berichtet, in dem er für härtere Bestrafungen von Triebtätern, vor allem solchen, die sich an Kindern vergingen, eintrat. Er machte während des Interviews ein ernstes Gesicht, sagte, wie verabscheuungswürdig diese Verbrechen seien und daß bislang seitens der obersten Justiz kaum etwas Konkretes unternommen wurde, diese Kinder zu schützen, statt

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