Das achte Opfer
Organisation ist bis in die unterste Einheit perfekt durchorganisiert. Schwachstellen werden sofort beseitigt, das kann ich Ihnen garantieren.«
»Was wissen Sie über Decknamen?«
»Nur die hochrangigen Persönlichkeiten haben welche.«
»Können Sie mir Namen nennen?«
»Nein, tut mir leid, damit kann ich nicht dienen.«
Julia Durant hatte das Gefühl, den Schweiß auf der Stirn und in den Handflächen des Anrufers zu spüren. »Warum haben Sie Angst?« fragte die Kommissarin darum unvermittelt.
Der Anrufer atmete hastig, ließ sich mit der Antwort Zeit. Schließlich sagte er: »Wenn man sich einmal mit diesen Leuten eingelassen hat, ist Angst aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Ich muß nicht nur an mich, sondern auch an meine Familie denken. Und ich habe panische Angst, daß sie einem von ihnen etwas antun könnten.«
»Sie haben Kinder?«
»Ja, und ich hoffe nur, sie erfahren nie, was ihr Vater getan hat. Ich schäme mich, solche Schande über die gebracht zu haben, die mir so viel bedeuten. Vielleicht melde ich einmal wieder. Leben Sie wohl.« Er beendete das Gespräch, ohne eine Antwort von Julia Durant abzuwarten. Sie legte auf, zündete sich eine Gauloise an, stellte sich ans Fenster und schaute hinunter auf die regennasse Straße. Sie überlegte, ob sie Berger informieren sollte, doch sie unterließ es, da auch er jetzt nichts mehr machen konnte. Sie war müde, drückte den Aus-Knopf der Fernbedienung, ging ins Bad, löschte dann die Lichter und legte sich ins Bett. Sie zog die Bettdecke bis über die Schultern und rollte sich auf die linke Seite. Einen kurzen Moment noch dachte sie an den bevorstehenden Tag, dann fielen ihr die Augen zu. Sie schlief tief und traumlos.
Mittwoch, 20.00 Uhr
Hellmer parkte seinen Wagen pünktlich vor dem Anwesen von Nadine Neuhaus. Er war aufgeregt, es war der erste Abend seit beinahe zwei Jahren, den er mit Nadine allein verbrachte. Er klingelte am Tor, Nadine meldete sich durch die Sprechanlage.
»Ich bin’s, Frank.«
»Komm rein, du brauchst das Tor nur aufzudrücken.« Es summte kaum hörbar. Sie stand in der Tür, trug eine gelbe Bluse und einen grünen Rock, sie lächelte.
»Schön, daß du gekommen bist«, sagte sie. »Ich habe dem Hausmädchen für heute abend freigegeben, ich dachte mir, dann sind wir ungestörter. Sie kommt erst morgen vormittag wieder.« Sie schloß die Tür hinter sich, ging vor ihmzum Wohnzimmer, das in ein warmes, nicht zu helles Licht getaucht war. Sie duftete nach Shalimar, dem Duft, den er am liebsten an ihr roch. Doch noch lieber roch er den Duft ihrer samtweichen Haut, ihres Haares. Er hatte diesen Duft noch heute in der Nase, meinte, es wären keine zwei Jahre vergangen, seit er das letzte Mal mit ihr geschlafen hatte.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte sie, bevor sie sich setzte.
»Ja, aber etwas Alkoholfreies.«
»Du trinkst nicht mehr?« fragte sie und sah ihn an.
»Woher weißt du . . .?«
»Ich habe es gerochen. Ich habe eine sehr feine Nase. Wann hast du damit angefangen?«
»Wann hab ich damit angefangen? Kannst du dir das nicht denken?«
Sie blickte zu Boden, sagte: »Vielleicht. Du bist auch nicht der Typ, der allein leben kann. Aber du mußt mich verstehen . . .«
»Laß uns von etwas anderem reden. Die Vergangenheit ist vorbei, was zählt, ist die Gegenwart und die Zukunft.«
»Orangensaft?«
»Ja.«
»Ich habe uns auch eine Kleinigkeit zu essen bereitet, du wirst sicherlich Hunger haben. Auch wenn ich nicht wußte, ob du wirklich kommen würdest. Aber erzähl, wie war dein Tag?«
»Bis auf etwas Bestimmtes, über das ich mit dir noch reden möchte, ist heute nichts Aufregendes passiert. Ich war bis halb sechs im Büro, bin kurz nach Hause gefahren, um nach dem Rechten zu sehen, und hab mich dann auf den Weg zu dir gemacht. Und hier bin ich.«
Nadine schenkte zwei Gläser voll Orangensaft, stellte sie auf den Tisch. Sie setzte sich Hellmer gegenüber auf dieCouch, legte die Beine hoch, sah ihn aus ihren großen, braunen Augen an, und er hätte zu gern gewußt, was sie jetzt dachte. Er nahm sein Glas in die Hand, trank einen Schluck.
»Und über was willst du mit mir reden?«
Hellmer drehte das Glas in seinen Händen, sah Nadine an. »Eigentlich wollte ich damit warten.«
»Warum warten? Laß es hinter uns bringen und dann den Abend genießen. Also, um was geht es?«
»Natürlich über deinen Mann. Es ist aber sehr vertraulich.« Er nahm einen weiteren Schluck, blickte zu Boden. »Wie es
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