Das achte Opfer
dessen aber die Täter in der Regel eine Sonderbehandlung erhielten, die er für nicht gerechtfertigt hielt. Unsere Kinder, sagte er abschließend, seien die Zukunft dieses Landes und müßten unter allen Umständen vor jeglicher Art von Mißbrauch besser geschützt werden. Julia Durant lachte nur auf, dachte, reden können die viel,aber in der Praxis, das hatte sie die Erfahrung gelehrt, passierte kaum etwas. Triebtäter wurden immer noch, wie Innenminister Bernhardt sagte, einer Sonderbehandlung unterzogen, Unmengen an psychologischen Gutachten erstellt, sie wurden therapiert und irgendwann wieder in die Freiheit entlassen. Du hast gut reden, dachte sie, aber du hast keine Ahnung, was wir in den letzten Tagen alles erfahren haben. Sie wartete den Wetterbericht ab, der für die nächsten Tage wechselhaftes Wetter bei Temperaturen um fünfundzwanzig Grad prognostizierte. Sie stand auf, nahm den Topf von der Herdplatte, schüttete die Hälfte des Inhalts in die Suppentassen. Nach dem Essen stellte sie das Geschirr in die Spüle, ging ins Bad, zog sich aus und ließ Badewasser einlaufen. Nackt lief sie durch die Wohnung, räumte etwas auf, rauchte eine weitere Zigarette. Dabei wählte sie die Nummer von Hellmer, der aber offensichtlich nicht zu Hause war. Sie versuchte es unter der Nummer seines Handys.
»Hellmer.«
»Hier Julia. Ich wollte dir nur kurz sagen, daß ich wieder einen Brief bekommen habe. Mach dich schon mal drauf gefaßt, morgen früh eine weitere Leiche zu finden. Der Mord geschieht heute im Laufe des Abends.«
»Scheiße. Ich hoffe nur, ich werde nicht noch heute nacht zu einem Tatort gerufen, ich hab nämlich Besseres vor, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Nein, nicht ganz.«
»Ich bin verabredet, und ich will mir den Abend nicht von diesem Wahnsinnigen versauen lassen. Jetzt verstanden?«
»Nadine Neuhaus. Klar, kann ich verstehen. Dann wünsche ich dir einfach einen schönen Abend zu zweit. Wir sehen uns morgen früh. Bis dann.«
Sie legte auf, stellte den Wasserhahn ab, holte sich eineDose Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich in das angenehm warme Wasser. Insgeheim beneidete sie Hellmer um den Abend, es war eine lange Zeit vergangen, seit sie das letzte Mal einen Mann gehabt hatte. Manchmal sehnte sie sich nach Zärtlichkeit, nach Streicheln und innigem Körperkontakt. Bisweilen befriedigte sie sich selbst, wenn sie es überhaupt nicht mehr aushielt, aber es war nicht das gleiche, wie von einem Mann befriedigt zu werden. Sie blieb eine halbe Stunde fast regungslos im Wasser liegen, trank ihr Bier, wusch sich. Sie trocknete sich ab, rieb ihren Körper mit Bodylotion ein, zog ein bis knapp über den Po reichendes Nachthemd an. Sie setzte sich wieder vor den Fernsehapparat, zappte sich durch die Kanäle, bis sie beim Glücksrad hängenblieb. Danach sah sie sich einen Film mit Richard Gere an, trank zwei weitere Dosen Bier. Sie wollte gerade zu Bett gehen, als das Telefon klingelte. Sie stand auf, nahm den Hörer ab, meldete sich.
»Ja, bitte?«
»Entschuldigen Sie, daß ich so spät noch anrufe, aber es ging nicht früher . . .«
»Hören Sie«, sagte Julia Durant ungehalten, »ich habe keine Lust mehr, mich mit Ihnen zu unterhalten. Sie haben mir gestern eine angeblich hundertprozentig sichere Information gegeben, wir haben alles Menschenmögliche getan, um das Heroin sicherzustellen, doch in dem Flugzeug und den Kisten waren nichts als Computer und Fernsehgeräte …«
»Deswegen rufe ich ja auch an«, sagte der Anrufer. »Sie haben kurzfristig ihren Plan geändert und den Stoff erst um achtzehn Uhr dreißig geliefert. Die Maschine kam auch nicht aus Paris, sondern aus Lyon . . .«
»Und die Ladung?«
»Computer und Fernsehgeräte.«
»Wie, das gleiche wie in der Maschine um halb vier?«
»Was glauben Sie, wie viele Maschinen jeden Tag mit solcher Ladung auf Rhein-Main landen?!«
»Und wo ist die Ladung jetzt?«
»Sie ist etwa eine Stunde nach dem Entladen abgeholt worden.«
»Von wem, ich meine, war es eine Spedition?«
»Darüber habe ich keine Informationen, doch ich kann es mir nicht vorstellen. Aber ich sagte Ihnen bereits gestern, daß auch Zöllner in der Sache mit drinstecken.«
»Das würde bedeuten, als wir uns heute morgen mit dem Zoll in Verbindung gesetzt haben, hat irgendeiner dort diese Information weitergeleitet, woraufhin sofort umdisponiert wurde«, murmelte sie ins Telefon.
»Davon gehe ich aus«, sagte der Anrufer. »Wie schon gesagt, die
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