Das achte Opfer
aussieht, hat dein Mann einer uns bislang unbekannten Organisation angehört, deren Mitglieder, zumindest die ranghöchsten, allesamt Decknamen hatten. So war dein Mann unter dem Namen Caligula bekannt . . .«
»Caligula? Das war doch dieser grausame römische Kaiser. Woher hast du diese Informationen?« fragte Nadine Neuhaus neugierig.
»Wir haben heute ein paar Befragungen durchgeführt, und dabei ist rausgekommen, daß dein Mann, aber auch Matthäus und Winzlow und die anderen Toten dazugehörten. Warst du jemals auf einer Party, auf der sich bestimmte Personen mit Decknamen ansprachen?«
Nadine lachte auf und schüttelte den Kopf. »Ich war nur ein einziges Mal auf einer Gartenparty, und das war hier in dem Viertel. Und da haben wir uns alle bei unseren ganz normalen Namen genannt. Warum fragst du?«
»Nun, dein Mann und auch die anderen waren regelmäßig auf solchen Partys, aber ich möchte dir Einzelheiten darüber, wie es dort zuging, lieber ersparen.«
»Warum? Ich bin alt genug und denke, ich habe irgendwie das Recht, zu erfahren . . .«
»Okay, wie du willst«, sagte er mit einer eindeutigen Handbewegung.»Wir wissen nicht, wo die Partys abgehalten wurden, ebensowenig, wer außer den Ermordeten sonst noch anwesend war. Wir wissen nur, daß Alkohol in Strömen floß und auch Rauschgift die Runde machte. Und es waren Kinder im Spiel.«
»Was heißt das?« fragte Nadine entsetzt. »Was meinst du damit, Kinder waren im Spiel? Los, sag es mir, ich will jetzt alles wissen.«
»Kinder eben, Jungs, aber auch Mädchen, neun, zehn, elf Jahre alt, vielleicht die oder der eine oder andere auch zwölf oder dreizehn. Sie sind mit Drogen gefügig gemacht worden, um dann von der werten Gesellschaft für ihre widerlichen Zwecke mißbraucht zu werden. So, reicht das jetzt?«
Nadine hatte ihre Haltung kaum verändert, sie sah Hellmer nur unentwegt an, Fassungslosigkeit im Blick, ein leichtes Zucken um die Mundwinkel.
»Ist das wirklich wahr?« fragte sie kaum hörbar. »Kann das alles wahr sein? Wozu sind Menschen eigentlich noch fähig?«
»Zu allem. Ich habe gelernt, daß wir uns manchmal in unseren verwerflichsten Träumen nicht vorstellen können, wozu manch einer fähig ist. Verstehst du jetzt, weshalb ich dir das erst später erzählen wollte?«
Nadine nickte, nippte an ihrem Orangensaft, stellte das Glas auf den Tisch.
»Ich werde es verarbeiten, Frank. Es wird eine Weile dauern, aber ich werde es verarbeiten. Und ich werde mir davon den Abend mit dir nicht verderben lassen. Ich verspreche es dir.« Hellmer lächelte dankbar, er hatte eine andere Reaktion befürchtet. Er holte tief Luft, trank sein Glas leer und stellte es ebenfalls auf den Tisch. Er ließ einen Moment verstreichen, lehnte sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und blickte an die Decke.
»Wie war die Beerdigung?« fragte er nach einer Weile.
»Ich habe Beerdigungen schon immer gehaßt. Das übliche Blablabla, Beileidsbekundungen, von denen mindestens die Hälfte glatt gelogen waren, und ansonsten – er ist unter der Erde, und ich fühle keine Trauer. Eher Erleichterung, auch wenn das hart klingen mag. Aber ich hätte ein Leben an seiner Seite nicht mehr lange durchgestanden. Wie sehr Menschen sich doch verstellen können. Doch ich habe meine Lehre daraus gezogen. Ich werde niemandem mehr blind vertrauen.«
»Auch mir nicht?«
Sie zögerte mit der Antwort, schließlich antwortete sie: »Ich weiß nicht, obwohl . . .«
»Ich bin frei, geschieden . . .«
»Das allein ist es nicht, Frank. Wenn wir wirklich noch eine Chance haben wollen, dann müssen wir über vieles reden. Ich weiß nur eines – ich habe dich nie vergessen, und das ist ein gutes Zeichen. Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege, und einer dieser seltsamen Wege war die Art und Weise, wie wir wieder zusammengetroffen sind. Und ich glaube nicht an Zufälle.«
»Ich auch nicht. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren gehofft und gebetet, dich eines Tages wiederzutreffen. Nadine, es gibt keine andere Frau in meinem Leben. Du bist die Frau, die ich immer wollte und immer begehrt habe. Manchmal bin ich fast wahnsinnig geworden bei dem Gedanken, daß du mit einem anderen Mann zusammensein könntest.« Er seufzte auf. »So war es dann ja auch.«
»Aber er hat mir nichts bedeutet. Ich dachte, ich würde ihn lieben können – bis ich sein wahres Gesicht sah.« Sie trank einen Schluck, fuhr dann fort: »Nun, ich bin um eine Erfahrung reicher, und ich werde bestimmt den
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