Das achte Opfer
gleichen Fehler nicht noch einmal begehen. Möchtest du jetzt etwas essen?«
»Wenn ich ganz ehrlich bin, ich habe seit dem Mittag nichts mehr gegessen.«
»Dann laß uns ins Eßzimmer gehen.«
Sie aßen Spaghetti Bolognese, die keiner so zubereiten konnte wie Nadine. »Du hast mein Leibgericht gekocht«, sagte er. »Ich weiß doch, daß du nichts lieber gegessen hast als meine Spaghetti. Auch wenn es ein eher profanes Gericht ist, laß es dir schmecken.«
Sie verbrachten den Abend damit, über die Vergangenheit zu sprechen, und als die Zeiger auf dreiundzwanzig Uhr standen, sagte Nadine unvermittelt: »Wo möchtest du die Nacht verbringen – hier oder lieber bei dir zu Hause?«
Hellmer sah sie erstaunt an, und wie in Trance erwiderte er: »Hier.«
»Gut. Dann laß uns nach oben gehen: Aber nicht ins Schlafzimmer. Wir werden im Gästezimmer schlafen. Wir fangen noch einmal so an, wie es damals begonnen hat. Ich möchte einfach in deinem Arm einschlafen.«
»Okay, machen wir’s wie früher.« Gemeinsam erhoben sie sich, Nadine ging vor ihm die Treppe hinauf. Sie hatte noch immer diesen lasziven Gang, der ihn fast um den Verstand bringen konnte.
Sie liebten sich eine Stunde lang, bis sie erschöpft auf die Kissen sanken. Eine Weile lang sprach keiner ein Wort. Schließlich drehte sich Nadine zu ihm hin, ihr Atem streichelte sein Gesicht. »Es war wunderschön«, sagte sie. »Ich glaube, ich liebe dich.«
»Du glaubst es nur?«
»Dummkopf, natürlich weiß ich es«, sagte sie und küßte ihn, wie nur sie ihn küssen konnte.
Danach kuschelte sie sich in seinen Arm, wie früher, und irgendwann, weit nach Mitternacht, hüllte sanfter Schlaf sie ein.
Mittwoch, 21.00 Uhr
Dunkelheit hatte sich über die Stadt gelegt. Er lenkte den Jaguar durch die offene Toreinfahrt. Er stieg aus, ging um den Wagen herum, öffnete die Tür und half seiner Frau beim Aussteigen. Er nahm den Aktenkoffer vom Rücksitz, und mit langsamen Schritten bewegten sie sich auf das Haus von Prof. Meininger zu. Er klingelte, wartete einen Moment, bis Meininger an die Tür kam und die beiden Besucher eintreten ließ.
»Ich hoffe, wir sind nicht zu spät dran«, sagte er zu Meininger, der nur mit dem Kopf schüttelte.
»Ich bin es gewohnt, bis Mitternacht aufzubleiben. Kommt rein.«
Sie folgten Meininger in dessen Praxis, er bat sie, Platz zu nehmen.
»Um was genau geht es?« fragte er, nachdem er sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte.
»Eigentlich das Übliche, nur will ich nicht, und das sagte ich bereits am Telefon, daß sie wieder in die Klinik kommt. Wahrscheinlich braucht sie nur ein paar Tabletten, und zwar gute. Am besten ein stark wirkendes Antidepressivum, das sie aus ihrer Lethargie holt.«
»Was nimmt sie denn zur Zeit?«
»Insidon, aber ich glaube, es ist nicht das richtige. Zumindest merke ich keine Veränderung in ihrem Verhalten. Sie könnte genausogut Placebos nehmen.«
»Habt ihr es schon einmal mit Stangyl probiert?«
»Nein, nicht soweit ich weiß.«
»Es gibt unterschiedliche Stärken, und ich schlage vor, wir fangen am besten gleich mit der höchsten Dosierung an. Stangyl hat den Vorteil, daß man schon nach etwa zweiTagen merkt, ob eine Veränderung eintritt. Ich werde es dir aufschreiben, du mußt nur sehen, welche Apotheke heute Nachtdienst hat.« Er holte einen Rezeptblock aus dem Schreibtisch, begann zu schreiben.
»Könnte ich dich einen Moment unter vier Augen sprechen?«
Meininger blickte auf, nickte. »Natürlich. Deine Frau kann so lange ins Wohnzimmer gehen.«
»Komm, Liebling, Professor Meininger und ich möchten noch etwas unter vier Augen besprechen. Ist das in Ordnung?«
Sie nickte, erhob sich und verließ das Zimmer.
»Was gibt es?« fragte Meininger, während er das Rezept über den Tisch reichte.
»Nicht viel eigentlich«, sagte Cicero. »Wie lange kennen wir uns schon?«
»Zwei Jahre, warum?«
»Dann kanntest du meine Frau nicht, bevor sie so wurde, wie sie jetzt ist. Sie war eine lebenslustige, immer gutgelaunte Frau. Und mit einem Mal ist sie zu einem seelischen Wrack geworden. Kannst du dir vorstellen, warum?« fragte er und erhob sich.
»Nein, du hast es mir nie erzählt. Möchtest du etwas trinken? Cognac, Whisky, Gin?«
»Einen Cognac vielleicht. Dann werde ich dir die Geschichte erzählen.«
Meininger holte die Flasche Cognac und zwei Gläser und schenkte ein. Er sagte: »Ich will nur kurz nach deiner Frau sehen, ob sie auch im Wohnzimmer ist. Nicht, daß sie aus
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