Das achte Opfer
ich bin es leid, allein zu leben. Es macht einfach keinen Spaß.«
»Mach’s gut«, sagte sie, »und paß auf dich auf.« Auf der Fahrt ins Präsidium dachte er an die zurückliegende Nacht. In seinem Kopf war nur ein Wort – Nadine.
Donnerstag, 8.15 Uhr
Julia Durant, Berger und Kullmer waren gerade dabei, Pläne für den Tag durchzusprechen, als ein gutgelaunter Hellmer zur Tür hereinkam.
»Guten Morgen«, sagte er und setzte sich.
»Guten Morgen«, erwiderte Julia Durant grinsend, »wie es aussieht, hast du gut geschlafen.«
»Hab ich, sehr gut sogar«, entgegnete er, ebenfalls grinsend. »Gibt es etwas, was ich wissen müßte?« fragte Berger leicht irritiert.
»Nein, alles in Ordnung«, sagte Hellmer. »Was liegt an?«
»Wir besprechen gerade die Einsatzpläne für heute. Sie und Kommissarin Durant werden sich noch einmal in den Bordellen umsehen und ein paar Damen befragen. Kollege Kullmer wird mit einem anderen Beamten zum Flughafen fahren, um nach einer undichten Stelle beim Zoll zu suchen . . .«
»Moment mal, um was geht es denn?« fragte Hellmer mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ach so, Sie wissen das ja noch gar nicht. Der anonyme Anrufer hat sich gestern abend bei Kollegin Durant gemeldet und gesagt, daß das Heroin mit einer Maschine aus Lyon geliefert wurde, und zwar um halb sieben. Was den Schluß zuläßt, daß nach meinem Telefonat gestern morgen mit dem Zoll irgendwer geplaudert hat und die Gauner schnell umdisponiert haben. Wir müssen in Erfahrung bringen, wer die Information weitergeleitet hat und von wem die Ladung abgeholt wurde. Da wir in der Sache mit den beiden Lettinnen ohnehin im Augenblick nicht weiterkommen, sollten wir auf jeden Fall hier nach einer Spur suchen. Denn wie es scheint, hängen die Morde und der Drogenschmuggel irgendwie zusammen. Und wenn auch noch Kinderhandel und -mißbrauch dazukommen . . .«
Das Telefon klingelte. Berger nahm ab, meldete sich. Er sagte nur »Ja« und »Ich werde zwei Beamte vorbeischicken«. Er legte auf, sah Julia Durant und Hellmer mit einem Blick an, der keiner Worte mehr bedurfte.
»Das war die Notrufzentrale. Fahren Sie zu Professor Meininger. Die Adresse kennen Sie ja.«
»Nicht die Kranken brauchen den Arzt, sondern die Gesunden«, sagte die Kommissarin leise vor sich hin, den Blick zu Boden gerichtet. »Dann gehörte Meininger also auch der Organisation an. Der große, berühmte Meininger!«
Als Julia Durant und Hellmer im Auto saßen, fragte er: »Kannst du mir eines erklären – warum sind diese stinkreichen, angesehenen Leute so verkommen? Was läuft in ihrem Kopf und in ihrer Seele falsch?«
»Nicht alle von ihnen sind verkommen, nur ein paar. Und was sich in ihrem Kopf oder ihrer Seele abspielt, das wissen wohl nur die Götter und sie selbst.«
»Trotzdem, Meininger ist das sechste Opfer, von denen ein jeder einen ganz besonderen Stand innerhalb der Gesellschafthatte. Ich begreife nicht, was hier vor sich geht. Das wissen wohl nur der Mörder und seine Opfer.« Er zündete sich eine Zigarette an, öffnete das Seitenfenster einen Spalt. »Übrigens, gestern der Brief von unserem Killer, er schreibt, es würde außer Meininger noch zwei weitere Morde geben. Dann sei Schluß, und dann hätten wir den Fall auch gelöst. Das sieht fast so aus, als wollte er sich nach dem letzten Mord selbst stellen.«
»Das glaubst du doch nicht im Ernst? Kein Serienkiller stellt sich freiwillig.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob wir es hier mit einem Serienkiller im klassischen Sinn zu tun haben. Tomlin war ein Serienkiller, dessen Opfer immer einem bestimmten äußeren Ideal entsprachen, jung, so zwischen dreizehn und achtzehn und blond. Und Tomlin war ein Psychopath.«
Sie quälten sich durch den Berufsverkehr, mußten am Baseler Platz eine Weile an einer Baustelle warten, bis ein Lkw seine Ladung losgeworden war, sie fuhren über die Friedensbrücke immer geradeaus Richtung Niederrad. Am frühen Morgen hatte noch die Sonne geschienen, jetzt zogen von Westen her dunkle Wolken heran, die vielleicht den angekündigten Regen mit sich führten. Um zwanzig vor neun hielten sie vor Meiningers Haus, vor dem bereits zwei Streifenwagen standen. Sie stiegen aus, nickten kurz einem der Beamten zu, der den Eingang bewachte, passierten ihn und betraten das Haus.
»Wo liegt er?« fragte Julia Durant einen anderen Beamten. »Zweite Tür links. Es ist kein schöner Anblick«, sagte er.
»Ein Ermordeter ist nie ein schöner Anblick«, erwiderte sie
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