Das achte Opfer
bestem Haus, sich in einem SM-Studio regelmäßig an ein Andreaskreuz ketten ließ. Aber nicht nur das, er trug auch immer eine massive Stahlkette um den Hals und verlangte von seiner Domina, daß diese Kette jedesmal ein bißchen fester zugezogen wurde. Zudem verlangte er, während der Zeit, in der er festgekettet war, allein gelassen zu werden . . .«
»Warum wollte er die Kette immer fester zugezogen haben?«
»Dadurch wird die Halsschlagader abgedrückt, das heißt, Durchblutung und Sauerstoffzufuhr zum Gehirn werden gedrosselt. Das führt zu einem extremen Hochgefühl, vor allem im sexuellen Bereich. Das Problem bei dem, von dem ich gerade erzähle, war, daß er eines Tages die Kette sehr fest zugezogen haben wollte, was, wie hinterher berichtet wurde, die Domina nur sehr widerwillig tat, denn sie wußte, was unter Umständen passieren konnte. Sie ließ ihn auchwieder eine Viertelstunde allein, hatte aber ein ungutes Gefühl, weshalb sie nach zehn Minuten einen Blick in das Zimmer warf und fast zu Tode erschrak, weil der Mann regungslos in den Ketten hing. Dieses eine Mal hätte seine Suche nach dem ultimativen Kick ihn beinahe das Leben gekostet.« Julia Durant lachte kurz und bitter auf, schüttelte den Kopf, holte eine Gauloise aus der Schachtel und zündete die Zigarette an.
Hellmer hatte ihr aufmerksam zugehört, fragte: »Und weiter, da kommt doch noch was, das sehe ich an deinem Gesicht.«
»Sicher, da kommt noch was. Das Studio wurde oder wird immer noch von zwei Frauen betrieben, die Mühe hatten, den ziemlich schweren Körper aus den Ketten zu befreien. Der Notarzt wurde gerufen, der in letzter Sekunde verhindern konnte, daß ihm der Mann unter den Händen wegstarb. Aber vielleicht wäre es besser für ihn gewesen, tot zu sein, denn durch die lange Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn sind etliche wichtige Teile des Hirns abgestorben, er ist fast blind, kann nur noch sehr schlecht hören, vor allem aber ist sein Gedächtnis verlorengegangen. Er lebt jetzt, wie alt wird er sein, knapp vierzig vielleicht, in einem Pflegeheim, wo er rund um die Uhr versorgt werden und bis zum Rest seines Lebens bleiben muß. Er gehörte zu denen, die nach dieser – überirdischen – sexuellen Befriedigung suchen und sie doch nicht finden. Frag mich nicht, woher diese Triebe und Neigungen kommen, aber wahrscheinlich wird dieses Phänomen niemals ganz geklärt werden.« Sie machte eine Pause, nahm einen tiefen Zug an der Zigarette, blies den Rauch durch die Nase aus. »Doch für mich gibt es Unterschiede. Der, von dem ich eben gesprochen habe, hat keinem etwas zuleide getan außer sich selber. Die, mit denen wir es jetzt zu tun haben, sind Männer undeventuell auch Frauen, die offensichtlich Freude und Spaß daran finden, anderen weh zu tun . . .«
»Genau das. Selbstbeherrschung und Disziplin sind bei ihnen vielleicht im beruflichen Bereich vorhanden, im körperlichen hingegen sind das Fremdwörter für sie. Sie nehmen sich einfach, was sie wollen, und ihnen ist egal, ob jemand dabei draufgeht oder nicht. Ich sage nur eines – Beine breit und über den Stacheldrahtzaun gezogen . . . Ich will die anderen Ordner sehen«, sagte Hellmer nachdrücklich und mit heruntergezogenen Mundwinkeln. »Ich will sehen, was Meininger sonst noch alles auf dem Kerbholz hat. Wenn er, Winzlow und die anderen diese Schweinereien begangen haben, dann frage ich mich, wer hängt da noch mit drin? Hast du irgend etwas Neues von der Computerauswertung gehört? Die chiffrierten Texte und so?«
Julia Durant schüttelte den Kopf. »Nein, bislang haben sie die Codes nicht knacken können. Aber ich glaube, wir brauchen diese Codes auch bald nicht mehr, was wir bis jetzt wissen und gefunden haben, zeigt schon in eine eindeutige Richtung.«
»Aber nicht in die Richtung des Mörders«, warf Hellmer ein.
»Vielleicht doch. Warten wir’s einfach ab.«
Sie sahen sich noch einige Ordner an, stellten sie zurück in das Regal. »Das gesamte Material«, sagte Julia Durant, »lassen wir ins Präsidium bringen und es auswerten. Unter Umständen läßt sich ja die Identität einiger dieser Jungen klären.«
»Es wird Monate dauern, bis alles gesichtet ist«, sagte Hellmer. »Wenn ich allein an die Videos denke, die alle angeschaut werden müssen.«
»Na und, auf einen Monat mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht an. Außerdem hat unser Cicero . . .«
»Woher bist du so sicher, daß sein Deckname Cicero ist?« fragte Hellmer.
»Okay, ich
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