Das achte Opfer
Reichsparteitag für mich, ihn vor so vielen Leuten so dumm dastehen zu sehen. Ich sagte mir nur, es sei sein Problem und er allein sollte damit fertig werden. Alles andere interessierte mich nicht.«
»Könnten Sie sich vorstellen, daß eines dieser Verhältnisse ihn auf dem Gewissen hat?«
»Keine Ahnung, vielleicht. Aber das müssen Sie herausfinden.«
»Wäre es möglich, uns kurz einmal den Werdegang oder Lebenslauf Ihres Mannes zu beschreiben?«
»Da gibt es nicht viel zu sagen. Er stammt aus sehr gutem Haus, sein Vater war ebenfalls Bankier, er genoß eine hervorragende Schulbildung, machte ein Einser-Abitur, studierte in Oxford und stieg mit vierundzwanzig in das Bankgeschäft ein. Erst bei seinem Vater, wo er sich bis in den Vorstand hocharbeitete, die Bank aber verließ, als sein Vater in den Ruhestand ging. Er selbst wechselte zur Frankfurter Bank, deren Direktor er seit neun Jahren war. Wenn Sie also auf eine Geschichte gewartet haben wie zum Beispiel vom armen Arbeitersohn zum Bankdirektor, dann muß ich Sie leider enttäuschen. Er kam aus einem reichen Haus und war nie einen anderen Lebensstil gewöhnt.«
»Und Sie?«
»Nun, ich komme nicht gerade aus einfachen Verhältnissen, doch wir lebten nicht in dem Luxus wie die Familie Matthäus. Aber das ist unwichtig.«
»Hatte Ihr Mann Kontakte zu Personen, die – ich will es vorsichtig ausdrücken – nicht ganz koscher waren?«
»Tut mir leid, darauf kann ich Ihnen beim besten Willen keine Antwort geben. Ich weiß wirklich nichts über seine Kontakte, zumindest nichts über die, die über unsere gemeinsamenhinausgingen. Und das waren nicht viele.« Sie machte eine Pause, nippte an ihrem Kaffee, stellte die Tasse zurück auf den Tisch, lehnte sich zurück. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und fragte: »Sagen Sie, stimmt es, was ich gehört habe, daß ihm auch die Genitalien abgeschnitten wurden?«
»Woher haben Sie diese Information?« fragte Hellmer mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich erhielt heute morgen einen Anruf. Ich habe die Stimme noch nie zuvor gehört, und der Anrufer hat auch seinen Namen nicht genannt. Er hat nur gesagt, mein Mann sei kastriert worden, und das habe seinen Grund. Und irgendwann würde ich erfahren, was dieser Grund sei.«
»Das überrascht mich«, sagte Julia Durant. »Wir haben nämlich diese Information bewußt vor der Presse geheimgehalten. Aber da Sie jetzt schon das mit der Kastration wissen, dann kann ich Ihnen auch noch sagen, daß der Täter auf die Stirn Ihres Mannes mit Blut die Zahl 666 geschrieben hat. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
»Dreimal die Sechs? Die Zahl des Teufels?«
»Sie kennen die Zahl?« fragte die Kommissarin erstaunt.
»Oh, natürlich«, erwiderte Frau Matthäus lächelnd. »Ich habe eine Klosterschule besucht und gehe auch jetzt noch regelmäßig in die Kirche und lese sogar dann und wann in der Heiligen Schrift. Dennoch verstehe ich nicht, warum der Mörder ihm diese Zahl auf die Stirn geschrieben hat. Es ergibt keinen Sinn.«
»Für den Mörder schon«, erwiderte Julia Durant. »Denn laut Bibel bekommen all jene diese Zahl auf die Stirn geschrieben, die dem Teufel nachfolgen. Und hier liegt für uns die große Frage – was hat Ihr Mann getan, daß jemand einen derartigen Haß auf ihn hatte, der ihn dazu trieb, ihm das Zeichen des Teufels zu geben?«
»Mein Gott«, stieß Frau Matthäus hervor, »das ist fast unheimlich. Ich kann es nicht fassen.«
»Könnte es sein, daß Ihr Mann in irgendwelche unsauberen Geschäfte verwickelt war?«
»Ich sagte Ihnen doch bereits, ich habe keine Ahnung von seinen Geschäften. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es ist sehr verwirrend.«
»Ja, für uns auch. Ich möchte Sie aber bitten, Details, was die Ermordung Ihres Mannes angeht, vorläufig für sich zu behalten.«
»Natürlich.« Frau Matthäus schaute zur Uhr. »Es tut mir leid, aber ich habe um halb drei einen Termin bei meinem Arzt. Ich will nicht unhöflich erscheinen . . .«
»Kein Problem, wir wollten ohnehin gehen. Vielen Dank für den Kaffee und auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen. Ich öffne Ihnen das Tor vom Haus aus.« In der Eingangstür blieb Julia Durant noch einmal stehen und drehte sich um. »Frau Matthäus, eine Frage noch – der Arzt, zu dem Sie gehen, ist das derselbe Arzt, den auch Ihr Mann bei gesundheitlichen Problemen konsultiert hat?«
»Ja, warum? Aber, mein Mann hatte keine gesundheitlichen Probleme. Zumindest nicht, das ich
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