Das achte Opfer
und als Vorspeise eine Tomatensuppe, während Nadine sich Curry-Rindfleisch und eine Consommé bestellte. Die junge Vietnamesin trat, nachdem sie die Speisekarte geschlossen hatten, an den Tisch, stellte die Gläser mit dem Wasser darauf und nahm die Bestellung auf. »Weißt du schon, wann dein Mann beerdigt wird?« fragte Hellmer nach dem letzten Zug an der Zigarette.
»Am Mittwoch.«
»Ich werde auch dasein, wahrscheinlich mit meiner Kollegin.«
»Warum?«
»Wir wollen sehen, wer alles auf dieser Beerdigung anwesend ist. Vielleicht treffen wir ein paar bekannte Gesichter dort.«
»Du denkst, der Mörder . . .«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch andere interessante Personen.«
»Was habt ihr bis jetzt herausgefunden? In was für schmutzigen Geschäften hatte mein Mann die Finger?«
Hellmer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, doch wir hoffen, das so schnell wie möglich in Erfahrung zu bringen. Und ich hoffe, daß nicht noch mehr Morde passieren, wir kriegen jetzt schon Druck von oben.«
»Was heißt von oben?«
»Staatsanwaltschaft, Richter, Presse, alle wollen wissen, was wir unternehmen, um diesen Wahnsinnigen endlich hinter Gitter zu bringen.«
»Und, was tut ihr?«
»Wir können nichts tun, solange wir keine Informationen über den Lebenswandel der Ermordeten haben. Und damit meine ich den geheimen Lebenswandel – von dem nicht einmal du etwas weißt oder wußtest. Genausowenig wie Frau Matthäus oder die Exfrau von Winzlow. Wir haben bis jetzt keine Notizen gefunden, weder handschriftlich noch im Computer, wobei die Privat- und Geschäftscomputer der Toten zur Zeit von unseren Experten nach Hinweisen durchforstet werden. Auf jeden Fall haben nach außen hin dein Mann und die anderen beiden einen absolut tadellosen Lebenswandel geführt. Und was wir jetzt versuchen müssen, ist, diese Fassade der Tadellosigkeit, der Integrität zu zerstören. Wenn wir das schaffen, wissen wir, was sich hinter der Fassade abgespielt hat. Und ich bin fast überzeugt, daß wir dann womöglich in ekelhafte Abgründe blicken werden.«
»Du meinst also, mein Mann war ein Verbrecher?«
»Vielleicht war er einer. Doch wenn, dann hat er seine Verbrechen auf eine sehr geheime Weise begangen.«
Das Essen kam, die Unterhaltung war fürs erste beendet.
Nach einer Weile fragte Hellmer: »Wer erbt jetzt eigentlich das ganze Vermögen deines Mannes? Wer übernimmt die Firma?«
Nadine Neuhaus blickte auf, antwortete: »Ich erhielt gestern vormittag Besuch von einem Anwalt meines Mannes. Er sagte, er würde sich in den nächsten Tagen mit den zwei Geschäftsführern und dem Prokuristen zusammensetzen und mit ihnen alle Details, was die Zukunft der Firma angeht, besprechen. Und um auf deine erste Frage zu kommen, ich habe keine Ahnung, wer das alles erbt. Aber da mein Mann keine Familie hat, seine Eltern sind vor sechs Jahren bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen, Geschwister gibt es nicht, gehe ich davon aus, daß zumindest ein Großteil an mich fallen wird. Frag mich aber um Himmels willen nicht, wieviel das ist. Ich habe ohnehin beschlossen, sobald wie möglich von hier wegzugehen, woanders ein neues Leben zu beginnen . . .«
»Das würde ich auch gern . . . Aber eine andere Frage – wer ist der Anwalt? Wie ist sein Name?«
»Ein gewisser Dreekmann. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Er sagte, er wäre unter anderem für die Vermögensverwaltung meines Mannes zuständig . . .«
»Dreekmann? Ich kenne nur einen Dreekmann – und der ist Strafverteidiger. Und zwar der gerissenste von allen. Ich wußte gar nicht, daß er sich auch mit solch profanen Dingen wie Vermögensverwaltung abgibt.«
»Mir ist das egal. Er sagte nur, ich würde am kommenden Donnerstag, am Tag nach der Beerdigung, erfahren, wie meine finanzielle Zukunft aussieht. Aber erzähl von dir, wo wohnst du zum Beispiel?« Sie machte eine Pause, sah Hellmer lange und durchdringend an.
Er lachte auf. »Wo ich wohne? Das ist nicht so wichtig, die Frage sollte besser lauten, wie ich wohne. Und die Antwortist ganz einfach – beschissen. Beschissener, als ich es mir jemals hätte träumen lassen. Das ist die Realität. Meine Frau läßt mich bluten, meine Kinder bekomme ich kaum einmal zu Gesicht, und ich frage mich manchmal, wozu ich eigentlich lebe und arbeite.« Er hob wie entschuldigend die Hände. »Ja, ja, du denkst jetzt sicher, ich rede wieder nur von mir, ich suhle mich in Selbstmitleid, und, und, und . . . Denk von mir aus so, doch
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