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Das Achtsamkeits Buch

Das Achtsamkeits Buch

Titel: Das Achtsamkeits Buch
Autoren: Halko Weiss , Thomas Dietz
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brauchte es bei den Meditationserfahrenen in einem achtsamen Zustand signifikant höhere Temperaturen als im Alltagsbewusstsein. Auch war bei der Kontrollgruppe die Schmerzempfindlichkeit deutlich höher. Die höhere Schmerztoleranz hing bei den Meditierenden sowohl mit der Meditationserfahrung als auch mit einer geringeren Atemfrequenz zusammen. Die größere Schmerztoleranz war mit höheren Werten auf den Selbsteinschätzungs-Skalen »Beobachten« und »Nicht-Reagieren« gepaart.
    Dieses »Beobachten« und »Nicht-Reagieren« ist das Gegenteil von dem, was normalerweise bei Schmerzen passiert. Man kämpft automatisch dagegen an, und um weniger zu spüren, beißt man die Zähne zusammen, verkrampft man sich und atmet kaum mehr. Ein anderer Weg der Bewältigung ist, sich abzulenken. Heftige Schmerzen können eine solche Macht über Menschen bekommen und sie so sehr beherrschen, dass sie das Gefühl haben, nur noch aus Schmerz zu bestehen.
    Achtsamkeit eröffnet andere Möglichkeiten: Das Erwachen des inneren Beobachters, eine Disidentifikation ermöglicht, den Schmerz aus einer gewissen Distanz heraus wahrzunehmen. Wenn dies in einer Haltung von Gleichmut geschieht, verliert der Schmerz seine Macht. Shinzen Young (2004) betont die Unterscheidung zwischen den Fakten der körperlichen Empfindung von Schmerz und subjektivem Leiden. Schmerz führe dadurch zu Leiden, dass man ihn ablehnt, sich gegen ihn wehrt und ihn – oft vergeblich – weg haben will. Jegrößer der Widerstand ist, mit dem man gegen ihn ankämpft, desto größer wird das Leiden. Mathematisch ausgedrückt: wenn der Widerstand gegen Null geht, entsteht auch kein Leiden. Was bleibt, ist die reine, »faktische« Empfindung des Schmerzes.
    Um wirklich hinschauen und gelassen beobachten zu können, ist es hilfreich, das überwältigende Gesamtpaket in seine einzelnen Komponenten zu zerlegen. Wie fühlt sich der Schmerz genau an? Wo ist der Maximalpunkt? Wenn er eine Farbe hätte, welche wäre das? Wie ist seine Ausdehnung? Wie sind die Übergänge zu den schmerzfreien Bereichen? Mit welchen Vorstellungen und inneren Bildern ist er verbunden und mit welchen Gedanken? Wie fühlt sich der übrige Körper an? Wo ist dieser angespannt, wo aber auch entspannt und wohlig? Dieser Weg führt über die Konzentration zu verschiedenen Facetten der Beobachtung, zum Hinspüren und wieder Loslassen.
    Man kann sich darüber hinaus auf die Suche nach Gleichmut auf den Ebenen von Körper, inneren Bildern und Gedanken machen: Wo im Körper ist Entspannung zu finden? Welche Teile des inneren Bildschirms zeigen positive Bilder oder einfach nur Licht? Wann gibt es Pausen zwischen den Gedanken? Auch eine Fokussierung auf Wandel oder auf Liebende Güte und Mitgefühl mit sich selbst verändert die innere Haltung gegenüber dem Schmerz.
     
    Achtsamkeit bei Krebs
     
    Krebs ist eine häufige Erkrankung mit vielen Gesichtern. Je nach Krebsart, Verlaufsform und Krankheitsphase stellen sich unterschiedlichste Herausforderungen an die Betroffenen, ihre Angehörigen und Behandler. Anhand vom Krankheitsbild Krebs kann beispielhaft aufgezeigt werden, wie Achtsamkeit auf verschiedenen Wegen wirksam wird: bei akuter Bedrohung, beim Leben mit den Einschränkungen durchchronische Krankheit und deren Therapie, aber auch bei der Bewältigung von Abschiednehmen, Sterben und Tod.
    Die Diagnose einer Krebserkrankung wird oft wie ein »Sturz aus der normalen Wirklichkeit« (Gerdes, 1984) erlebt. Das Vertrauen in den eigenen Körper, die Sicherheit des Weiterlebens, Zukunftspläne sind in Frage gestellt. Die Menschen sind wie in Trance, am inneren Bildschirm tauchen Horrorszenarien auf oder sie klammern sich hoffnungsvoll an die Therapie, egal wie realistisch das ist. Im Schock geht der Bezug zur Wirklichkeit und der Kontakt zu anderen Menschen verloren, man ist allein. Für viele Menschen bedeutet die Krebserkrankung ein ohnmächtiges Hin- und Her-Geworfen-Werden zwischen Hoffen und Bangen. Beides bezieht sich auf die Zukunft. Dagegen haben Menschen, die ihre Krebserkrankung gut bewältigen, oft speziell eine Komponente von Achtsamkeit verinnerlicht: Präsenz, Gegenwärtigkeit und die Fokussierung der Aufmerksamkeit darauf, was im Augenblick ist. Durch den Verlust einer (vermeintlich) sicheren Zukunft gelingt es gar nicht wenigen Patienten – meist in einer späteren Krankheitsphase – sich in neuer Weise der Gegenwart zuzuwenden. Im Außen nehmen sie die Umwelt, die Natur, andere Menschen
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