Das Achtsamkeits Buch
intensiver war, im Innen tauchen darüber Freude und Dankbarkeit auf. Gerade bei Zukunftsangst kann die Praxis der Achtsamkeit dazu verhelfen, sich in der Gegenwart einzufinden. Mit einiger Übung wird es immer leichter, unproduktive Beschäftigung mit der Zukunft oder der Krankheit los zu lassen, Freude am Leben sogar besonders intensiv zu empfinden und damit die Lebensqualität zu erhöhen.
Auch Ruhefokussierung ist ein Gegenmittel zu Angst und Anspannung. Der Body-Scan führt bei Menschen mit körperlichen Problemen dazu, dass sie nicht ausschließlich auf ihre »Problemzonen« fokussiert bleiben oder den Körper gar nicht spüren wollen. Immer mehr werden auch jene Körperteile wahrgenommen, die wohl und gesund sind. Auf diese Weise wirkt der Body-Scan heilsam auf ein gestörtes Körperbild. Diedabei hervorgerufenen Entspannungszustände geben ein Gefühl für die eigenen Fähigkeiten und fördern das psychische Gleichgewicht. Regelmäßige Entspannung kann außerdem die Funktion des Immunsystems verbessern, was sich auch auf den Krankheitsverlauf auswirken kann. Vertrauen in die Körperfunktionen kann wieder wachsen.
Eine Krebserkrankung bringt vieles in unser Leben, was wir nicht wollen. Sie ist mit realen Einschränkungen verbunden, mit belastender Diagnostik und Therapie und mit Gefühlen wie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Wut und Trauer. Sie kann sogar zum Tod führen. Menschen haben ganz verschiedene und höchst persönliche Stile, mit diesem Leid umzugehen, Stile, die sich automatisch und von der Not geprägt einstellen. Man kann kämpfen und dann diesen Kampf gewinnen oder verlieren. Man kann erstarren und resignieren. Man kann verleugnen und Teile der Realität ausblenden. Man kann aber auch – und das ist der Weg der Achtsamkeit – darum ringen, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Das ist die nächste heilsame Achtsamkeits-Komponente: Akzeptanz.
Akzeptanz ist auch in diesem Zusammenhang nicht gleichbedeutend mit Fatalismus oder Resignation! Sie bedeutet auch nicht, dass man etwas gut heißt, wie es ist. Akzeptanz kennzeichnet vielmehr den Verzicht auf eine Bewertung – weder positiv noch negativ – und den Verzicht auf den Kampf gegen den Zustand im gegenwärtigen Moment. Dabei liegt die Betonung allein auf dem Zeitaspekt des Augenblicks. Akzeptanz einer Krebserkrankung bedeutet somit keineswegs, auf eine wirksame Therapie zu verzichten.
Das Gelassenheitsgebet des deutsch-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr verdeutlicht diese Einstellung:
»Lieber Gott, gib mir den Mut und die Kraft zu verändern, was ich verändern kann. Gib mir die Gelassenheit, zu ertragen, was ich nicht verändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
Akzeptanz bedeutet somit, den jeweiligen Augenblick so zu akzeptieren, wie er ist, und nicht Energie dafür zu vergeuden, gegen etwas anzukämpfen oder etwas abzulehnen, was man in diesem Moment nicht verändern kann.
Diese Polarität zwischen Kampf und Hingabe spiegelt auch der Titel eines Buches des amerikanischen Philosophen Ken Wilber: »Mut und Gnade« (1996). Es erzählt die Geschichte seiner Frau, die auf der Hochzeitsreise einen Knoten in der Brust entdeckt, und was beide in den darauf folgenden fünf Jahren der Krebskrankheit bis zu ihrem Tod durchleben, durchleiden, erfahren und lernen. Der Begriff Gnade enthält die Qualität der Hingabe und des Vertrauens in etwas Größeres und Ewiges, mit dem Treya Wilber im Rahmen ihrer Meditationspraxis in Kontakt gekommen war. Das hielt sie aber nicht ab, alles zu tun, um geheilt zu werden. Sie zeigte Mut und vertraute auf Gnade.
Auch eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Wandel macht im Rahmen einer Krebserkrankung Mut. Sich entgegen den empfohlenen Ablenkungs- und Vermeidungsstrategien gerade unangenehmen Dingen zuzuwenden führt oft zur Erfahrung der Diskrepanz zwischen den negativen Erwartungen und dem, was tatsächlich eintritt. Die Wandelbarkeit der Phänomene kann direkt beobachtet werden. Gerade bei unangenehmen Phänomenen ist dies sehr real und tröstlich. Dabei kann es auch gelingen, alles Werden und Vergehen als Teil des Lebens zu erkennen, zu erleben und anzunehmen und selbst den Tod in diese Einsicht einzuschließen.
Eine Fokussierung auf Liebende Güte und Mitgefühl kann allen Beteiligten helfen, Angehörigen, den Behandelnden und den Patienten selbst. Sie hilft Patienten, Mitgefühl mit sich selbst zu entwickeln, wohlwollend und liebevoll auf
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