Das Achtsamkeits Buch
gibt es neben Allianzen auch immer Widersprüche zwischen ihnen. Nur eine Instanz auf einer höheren Ebene, von der aus sie alle Teile und deren unterschiedliche Bedürfnisse und Strebungen nebeneinander verstehen und annehmen kann, hätte die Voraussetzung zu einer Führung, die auf das Ganze integrierend wirken kann.
Einen Zustand, dessen Qualitäten in diese Richtung weisen, kann man im Rahmen des Trainings von Achtsamkeit entdecken und entwickeln. Das, was man den inneren Beobachternennt, wird während der Achtsamkeitsübung allerdings zunächst eher als passiv wahrnehmend erlebt. Die wichtigste Intention ist, nicht wertend, gelassen und möglichst klar zu beobachten. Auch Liebende Güte und Mitgefühl, Qualitäten, die gerade »schwierigeren« Teilen entgegengebracht werden müssen, damit sie einer inneren Führung vertrauen können, bleiben in der Achtsamkeit passiv.
Pionier auf der Suche nach einer aktiveren, aber genauso annehmenden und integrativen Instanz war Roberto Assagioli, ein Schüler Freuds. Er war Arzt, Psychiater und Psychotherapeut und beschäftigte sich auch mit den veränderten Bewusstseinszuständen der Mystiker. Sein Teilemodell war wohl das erste, das eine Art aktivere »höhere« Führung postuliert. Sein Anliegen war es, eine wissenschaftliche Psychologie zu entwickeln, welche die Realität der Seele anerkennt, und die Freude, Sinn, Erfüllung, Kreativität, Liebe und Weisheit, also die höheren Energien und Strebungen des menschlichen Daseins ebenso berücksichtigt wie die Bedürfnisse und Triebe der menschlichen Natur (Assagioli, 1982, 1992).
Bei den neueren psychodynamisch orientierten Modellen dürfte Richard C. Schwartz derjenige sein, der dank seiner Experimentierfreude und Neugier einen Zustand entdeckte, der wie eine aktive Form des inneren Beobachters wirkt, gepaart mit Fürsorge und allparteilicher Führungsqualität. Schwartz war in den 1980er Jahren ein wissenschaftlich anerkannter systemischer Familientherapeut in den USA. Er begann damals etwas, was unter Familientherapeuten ein Tabu war: er wollte herausfinden, was im Inneren der schwierigen Kinder oder Jugendlichen vorging, mit denen er arbeitete, und begann mit Einzelgesprächen. Dabei übertrug er das methodische Vorgehen aus der Familientherapie auf den Umgang mit Persönlichkeitsanteilen: auf die »innere« Familie. Er sprach so lange mit einem Teil, bis dieser sich verstanden fühlte, entspannte und begann, Vertrauen in den Prozess zu haben. Sobald ein Teil kooperativer wurde, bat er ihn, sich beim weiterenGespräch mit dem nächsten Teil nicht mehr einzumischen und beiseite zu treten, als würde sich dieser, wie früher die Mitglieder einer Patientenfamilie, auf einen passiven Beobachtungsplatz zurückziehen. Den meisten Klienten gelang dies erstaunlich gut (vgl. Schwartz, 1997).
Exkurs:
Internal Family Systems (IFS)
Richard C. Schwartz, ein anerkannter Familientherapeut an der Universität von Chicago, verknüpfte in den 1980er Jahren das Konzept der Multiplizität der Psyche mit familientherapeutischem beziehungsweise systemischem Denken. Mit IFS entwickelte er einen ganzheitlichen psychotherapeutischen Ansatz, der vielfältig anwendbar ist: Bei Krankheitsbildern wie Trauma und sog. frühen Störungen bis hin zu eher alltäglichen Fragen privater oder beruflicher Lebensbewältigung. Die unterschiedlichsten Zielgruppen – Einzelpersonen, Paare und Familien, aber auch noch komplexere soziale Systeme wie Unternehmen mit ihren Bereichen und Abteilungen – können von IFS profitieren. IFS zeichnet sich durch eine praxisorientierte, systematische Methodologie aus und ist ein in den Grundzügen auch für Laien gut verständliches Konzept.
Besonderheiten von IFS sind:
• Die Entdeckung, dass die Reaktionen von Persönlichkeitsanteilen auf die Außenwelt – und im inneren System aufeinander – ähnlichen Prinzipien folgen wie die Mitglieder einer Familie. Demnach finden sich bei den meisten Menschen drei Arten von Teilen, die sich in der Tendenz ihres Erlebens und Verhaltens unterscheiden:
1. »Manager« sorgen für Sicherheit und langfristigen Erfolg. Sie sind vorausschauend, kontrollierend, strategischund langfristig planend. Es sind die Teile, die man als vernünftig und erwachsen erlebt.
2. »Feuerbekämpfer« reagieren eher impulsiv, unreflektiert und unkontrolliert. Sie werden oft ausgelöst, um bedrohliche oder schmerzhafte innere Zustände zu vermeiden. Ihr Verhalten ähnelt
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