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Das Achtsamkeits Buch

Das Achtsamkeits Buch

Titel: Das Achtsamkeits Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halko Weiss , Thomas Dietz
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nichts zu psychischen Erkrankungen sagen, stehen Psychotherapeuten heute vor der Herausforderung, das alte Wissen über Achtsamkeit mit den neuen psychologischen Sichtweisen in Verbindung zu bringen, oder Anpassungen an das buddhistische Konzept vorzunehmen.
    In diesem Abschnitt wird ein solcher Versuch unternommen: Wie kann Achtsamkeit in Psychotherapie und Coaching integriert werden? Wie können wir das alte Wissen nutzen und wie müsste es modifiziert werden? Dabei wird ganz im Sinne des Buddhismus eher auf das Gemeinsame der menschlichen Erfahrung geschaut werden und weniger auf das, was in psychiatrischen Lehrbüchern zu bestimmten Leidensformen zu finden ist.
     
    Achtsamkeit verändert den Westen
    Wir stehen vor einer Neuerung und Fortentwicklung der Möglichkeiten, die Achtsamkeit uns gibt. Da das östliche Gedankengut schon in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in Mitteleuropa große Aufmerksamkeit fand, gab es dort bereits eine Öffnung für das bewusste Sein im gegenwärtigen Moment, für Präsenz, Meditation und leibliche Gegenwärtigkeit. Dies spiegelte sich auch in therapeutischen Ansätzen wider. Auch in der Philosophie fand der Geist des gegenwärtigensubjektiven Seins seinen Widerhall (Stern, 2005) (siehe Glossar »Phänomenologie«, S. 258) . Weltweit bekannte Körper- und Psychotherapeuten wie Elsa Gindler, Charlotte Selver, Fritz Perls, Graf von Dürkheim und andere gaben frühe Impulse in diese Richtung.
    In den 1960er Jahren entstand in den USA ein neuer Brennpunkt für bewusstseinsorientierte Lehren. Im Laufe der Zeit nahmen unter anderem Alan Watts, Shunryu Suzuki, Erich Fromm, Eugene Gendlin und viele wichtige Vertreter der Humanistischen Psychologie Einflüsse aus den Traditionslinien der Achtsamkeit auf: aus dem Zen-Buddhismus, den Lehren des Theravada-Buddhismus und dem tibetischen Buddhismus.
    International steht aus dieser Zeit wohl am ehesten die Gestalttherapie für das sich entfaltende Bewusstsein, dem es um das »Hier-und-Jetzt« und um »awareness« geht. Dieser Geist erfüllt heute noch die Arbeit vieler Psychotherapeuten. Doch das in Jahrtausenden geschärfte Konzept der Achtsamkeit – Generationen von Menschen haben sich mit ihm auseinandergesetzt – beinhaltet noch radikalere Konsequenzen als die, die etwa Fritz Perls lehrte. Ein in tiefes Verständnis der Achtsamkeit eingebettetes Verfahren muss mit einer Reihe von Vorstellungen, Einstellungen und Paradigmen brechen, die wir westlich orientierten Menschen durch unsere Kultur verinnerlicht haben. Und sie führt Therapeuten in Paradoxa und zu persönlichen Herausforderungen, die sich erst langsam, über viele Jahre hinweg, erschließen.
    Anders als der Ansatz, Achtsamkeit als einen zusätzlichen Baustein in eine klassische Psychotherapie einzufügen, rüttelt eine tief in Achtsamkeit eingebettete Therapie – und die entsprechend gestaltete therapeutische Beziehung – an unserem Fühlen und Denken. Sie steht im fundamentalen Widerspruch zu dem, was uns die etablierten Strukturen der Gesundheitsversorgung mit Selbstverständlichkeit als die »richtige« Auffassung vorgeben.
    Im Folgenden soll deutlich werden, wie eine achtsame therapeutische Zusammenarbeit aussehen muss: wie die Integration der Achtsamkeit in den tiefenpsychologischen Prozess gelingen kann, wie bisherige Versuche gestaltet sind und warum » dyadische « (zu zweit gestaltete) Achtsamkeit ganz neue Strategien, Interventionsformen und therapeutische Einstellungen erfordert.
    In der Verhaltenstherapie wird im Zusammenhang mit Achtsamkeit bereits von einer »dritten Welle« der Therapie-Entwicklung gesprochen. Vielleicht bietet aber diese alte Geistesschulung sogar einen Paradigmenwechsel im gesamten Feld der Psychotherapie an.
     
    Das dyadische Prinzip als Neuerung
    Mit dem 20. Jahrhundert erscheint also plötzlich die Gestalt des »Therapeuten« im Bewusstsein der Menschen der Moderne, eine Figur, die während der Behandlung im engen, vertrauensvollen und Sicherheit gebenden Kontakt mit dem Leidenden sein sollte (Hubble et al., 1999; Grawe, 2001; Cozolino, 2006). So ergibt sich auch die Möglichkeit, zu zweit in einem achtsamen Zustand zusammenzuwirken, um auf diese Weise von außen achtsame Selbsterforschungsprozesse zu unterstützen.
    Es gab auch schon im traditionellen Buddhismus eine enge Beziehung zwischen dem Schüler und seinem Lehrer, die intim und psychologisch-erzieherisch sein konnte. So berichtet zum Beispiel David Chadwick in

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