Das Achtsamkeits Buch
und oft in Gruppen durchgeführt (Linehan, 1996a, 1996b; Hayes et al., 2004; Segal, Williams & Teasdale, 2008). Auch hier gilt, dass »radikale Akzeptanz« ein unabdingbares Element von Achtsamkeit sein muss. Trotzdem bleiben der Behandlungsplan und meist auch die Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Klient Elemente eines klassisch-westlichen Verständnisses von Diagnose, Lösungssuche und der Autorität des Therapeuten unverändert.
Auch in der Psychoanalyse gibt es vergleichbare Ansätze, in denen der Therapeut gelegentliche Übungselemente anbietet, sehr viel Wert auf seine eigene achtsame Präsenz legt, in seinem sonstigen Vorgehen aber auf bewährte Formen der Zusammenarbeit zurückgreift (Safran, 2003; Germer, 2009).Doch lässt sich auch verfolgen, wie es in allen Psychotherapieformen immer mehr äußerst ernsthafte Versuche gibt, die umwälzende Bedeutung der Achtsamkeit – insbesondere auf der Seite der Therapeuten – in ihrer Tiefe zu verstehen und Teil einer neu definierten therapeutischen Beziehung werden zu lassen (Hick & Bien, 2008).
Alle im ersten Abschnitt dieses Buches ausgeführten Wege und viele der dort beschriebenen Übungen können im Rahmen bewährter Psychotherapiemethoden auch relativ einfach unterstützend genutzt werden.
Achtsamkeit als zentrales, integriertes Element
Zu den tiefenpsychologischen Ansätzen, die mehr oder weniger explizit achtsame Formen der Selbsterforschung systematisch und durchgehend nutzen – achtsamkeits -zentriert statt achtsamkeits- basiert – gehören vor allem Focusing (Gendlin, 1996), Internal Family Systems Therapy, kurz IFS (Schwartz, 1997) und die Hakomi Methode (Kurtz, 1990). Sie berücksichtigen sehr umfassend die Bedeutung, die etwa die radikale Akzeptanz für ein achtsames Vorgehen hat (Cole & Ladas-Gaskin, 2008) und ohne die Achtsamkeit nicht denkbar ist (Heidenreich & Michalak, 2004; Hayes et al., 2004).
Exkurs:
Focusing
Focusing-orientierte Psychotherapie wurde von Eugene T. Gendlin an der Universität von Chicago entwickelt. Dabei werden Klienten angeleitet, sich körperlicher Empfindungen im gegenwärtigen Moment gewahr zu werden und bei ihnen zu verweilen. Durch vertiefte Wahrnehmung entsteht dann ein »felt sense«, eine gefühlte Empfindung, deren Sinn und Bedeutung sich im Prozess entschlüsselt. Dadurch werdendem Bewusstsein zuvor nicht zugängliche Aspekte der Persönlichkeit oder von Problemen aufgedeckt und können wesentlicher verstanden werden. Die Art der Beobachtung körperlicher und emotionaler Vorgänge entspricht in wichtigen Bereichen dem achtsamen Vorgehen; Focusing lässt sich somit den achtsamkeitszentrierten Verfahren zuordnen.
Weiterführende Literatur: Gendlin & Wiltschko (1999), Gendlin (2004), Bundschuh-Müller (2004), Schillings (2007), Renn (2008).
Link: The Focusing Institute. Informationen zu Focusing. ‣ http://www.focusing.org/german.html
Die erwähnten drei Ansätze (Focusing, IFS, Hakomi) haben durchgehend die genaue Innenschau zum Ziel. Dabei sind Formen der therapeutischen Zusammenarbeit entstanden, bei denen grundsätzlich immer versucht wird, die Klienten in einer Sitzung bei der Beobachtung ihres gegenwärtigen inneren Erlebens zu halten oder aber diese Form der Arbeit vorzubereiten. Ein gemeinsames Ziel ist, durch ständig wachsende Bewusstheit – auch über das genaue Nachspüren im Körper – eine tiefere Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz zu fördern. Dabei begleitet der Therapeut immer nur unterstützend, niemals konfrontierend oder interpretierend.
Heilende Beziehungen
Unter den vielen Faktoren, die in Psychotherapien wirksam werden, steht die Qualität der Beziehung zwischen Klient und Therapeut an erster Stelle (Hubble et al., 1999; Grawe, 2001, 2004; Albani et al., 2008). Ihr wird daher in manchen Therapieformen, wie der Psychoanalyse, schon seit Langem eine zentrale Rolle zugemessen. Andere Methoden, wie die Verhaltenstherapie,haben diesen Aspekt bis vor Kurzem weitgehend außer acht gelassen. Gemeinsam ist fast allen Ansätzen, dass noch weiter gesucht und geforscht wird, was denn genau eine solche Beziehung »gut« und tragfähig macht. Aus der zunehmend wichtigen Bindungsforschung (siehe Glossar »Bindungstheorie«, S. 254) , bei der es um die Beziehung zwischen Eltern und Kind geht, wird beispielsweise gefolgert, dass sich ein Klient in der Therapie »sicher« fühlen sollte (Lewis et al., 2000; Cozolino, 2006; Gerhardt, 2006; Wallin, 2007).
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