Das Achtsamkeits Buch
halten und damit der Sorge vieler Psychotherapeuten entgegenzuwirken, zu sehr persönlich verwickelt zu werden.
Die Achtsamkeit des Therapeuten
In Zeiten, in denen auch westlich orientierte Psychotherapeuten die Bedeutung der Achtsamkeit für Ihre praktische Tätigkeit erkennen, ist die Versuchung sehr groß, ein paar Bücher zum Thema zu lesen oder an einem Wochenendkurs teilzunehmen und dann davon auszugehen, mit Klienten in Achtsamkeitarbeiten zu können. Doch Achtsamkeit ist kein bloßes Handwerkszeug, sie erfordert eine vertiefte Praxis aufseiten der helfenden Person. Denn Achtsamkeit basiert auf einer verfeinerten Wahrnehmung, auf radikaler Akzeptanz, auf nie nachlassendem Interesse und auf liebevoller Präsenz – Qualitäten, die in westlich etablierten Therapien oft nicht im Vordergrund stehen.
Ein in Achtsamkeit geschultes Bewusstsein ermöglicht, dass der Therapeut als Modell für Haltung und innere Einstellung dienen kann. Wenn dieses Vorbild nicht gegeben ist, kann der Klient sich nicht orientieren und der notwendige Rahmen für zunehmende Achtsamkeit und ihre heilsame Wirkung ist nicht gegeben (Safran, 2006; Hick & Bien, 2008). Unter den vielen Faktoren, die ein achtsamer Therapeut zum therapeutischen Prozess beitragen kann, können folgende hervorgehoben werden (vgl. Fulton, 2009):
• Seine präsente und ungeteilte Aufmerksamkeit sowie das für Achtsamkeit so charakteristische gleichbleibende Interesse und die genaue Beobachtung können an sich schon zu einer »korrigierenden Erfahrung« werden.
• Die Fähigkeit des Therapeuten, intensive Gefühle wahrzunehmen und auszuhalten, erweitert die Fähigkeit des Klienten, sich ihnen ebenfalls zuzuwenden und sie durchzuarbeiten.
• Seine akzeptierende Haltung ermöglicht es auch dem Klienten, eigene Anteile ohne Selbstkritik anzunehmen und zu verstehen.
• Erhöhte Empathiefähigkeit.
• Höhere Toleranz gegenüber den eigenen Grenzen, einschließlich der Grenzen des Wissens.
• Tieferes Verständnis darüber, wie Menschen ihre eigene Welt erschaffen.
• Besserer Umgang mit den eigenen narzisstischen Problemen bezogen auf Selbstbild und Selbstwert des Therapeuten,die sich im therapeutischen Prozess als Hindernis erweisen können.
• Stärkung der Fähigkeit, Theorien und Modelle als solche zu erkennen und nicht an sie gebunden zu sein oder sie für »wahr« zu halten.
• Glück und Freude des Therapeuten können sich positiv auf den Therapie-Erfolg auswirken (Bien, 2006, S. 217; Germer et al., 2009, S. 109).
Es gibt bisher leider nur vereinzelte Versuche, Achtsamkeitsschulung schon früh in die Ausbildung von Therapeuten zu integrieren. Ein solches Vorgehen scheint aber deutlich positive Effekte hervorzurufen (Grepmair & Nickel, 2007; Gehart & McCollum, 2008; Fulton, 2009).
Exkurs:
Studie zur Achtsamkeit der Psychotherapeuten
Erstmals wurde in einem Kontrollgruppendesign untersucht, welche Auswirkungen ein Meditationstraining der Psychotherapeutinnen auf ihre Therapien bzw. ihre Patienten hat. Die Studie wurde in der Inntalklinik, einer Fachklinik für integrierte Psychosomatik und Ganzheitsmedizin in Simbach am Inn, in den Jahren 2004–2006 durchgeführt.
Jeweils neun Diplompsychologinnen in Psychotherapieausbildung wurden nach dem Zufallsprinzip einer Kontrollgruppe oder einer täglichen Zen-Meditationsgruppe zugewiesen. Sie bekamen außerdem die Anweisung, während ihrer psychotherapeutischen Arbeit achtsam zu sein. Therapeutinnen der Meditationsgruppe behandelten im Rahmen eines integrativen psychotherapeutischen Konzepts 63, jene der Kontrollgruppe 61 Patientinnen und Patienten in je zwei wöchentlichen Einzelgesprächen. Davon waren 80 % Frauen und 20 % Männer.
Der von den Patienten jeweils am Ende der Stunden ausgefüllte »Stundenbogen« zeigte eine signifikant höhere Bewertung der Einzelpsychotherapie in der Therapeutinnen-Zen-Trainingsgruppe in Bezug auf Klärungsperspektive und Problemlösungsperspektive. In der Beziehungsperspektive war kein Unterschied feststellbar.
Die subjektiv wahrgenommenen Ergebnisse der gesamten stationären Behandlung haben die Patienten mit den meditationsgeübten Therapeutinnen bei der Entlassung signifikant höher bewertet als in der Kontrollgruppe. Die Patienten der Meditationsgruppe zeigten auch eine signifikant höhere Veränderungsrate ihrer Symptome (Grepmair & Nickel, 2007).
Unter dem Einfluss von Achtsamkeit verändern sich
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