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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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durchgegangen sein musste. Sie stieß auf die Konstruktionspläne für fliegende Flöße, Wassertreträder für windstille Tage, unterirdische Röhren, durch die per Druckluft Kolben geschoben wurden, die mit sitzenden Menschen gefüllt waren. Das Mädchen fand Berichte über Sonnenuhren, Dampforgeln, Wiegebadschaukeln, Schablonen für den korrekten Scheitel, Apparate für mechanische Reitübungen, Trockenschwimmerkarussells – aber kaum ein Wort über Arcasien. Offensichtlich suchte Jiril in den falschen Archiven.
    Gegen Abend lag schließlich ein bescheidener Stapel muffig riechender Folianten neben ihr auf dem Tisch. Ganze neun Bücher waren es, die spärliche Hinweise auf Lebensbäume und ihre Samenkapseln enthielten.
    »Ist das etwa alles?«, fragte Jiril, als er die letzte Fuhre herankarrte.
    Mira nickte und rieb sich über die brennenden Augen. »Mehr hab ich nicht gefunden.«
    »Langsam glaube ich, wir sind hier in der falschen Stadt gelandet.«
    Missmutig schob er den Holzwagen beiseite und streckte sein Kreuz durch. »Na schön, dann sind wir wenigstens noch vor Sonnenuntergang fertig.« Er zog das oberste Buch vom Stapel und schlug es an der von Mira markierten Stelle auf. »Das ist ja eine Bibel!«, stutzte er. »Altes Testament. Hesekiel …« Er runzelte die Stirn, dann las er: »Die Wasser zogen ihn groß, die Flut machte ihn hoch. Sein Wuchs wurde höher als alle Bäume der Welt, denn seine Wurzeln waren an vielen Wassern. Alle Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen und alle Tiere des Feldes gebaren unter seinen Ästen. Kein Baum kam ihm an Schönheit gleich, und es beneideten ihn alle Bäume, die in Eden waren.« Jiril verzog die Mundwinkel. »Ich glaube, das ist der falsche Baum. Von Samenkapseln steht hier auch nichts.«
    »Aber hier«, erklärte Mira und zog sich einen in gegerbtes Leder gebundenen Wälzer auf den Schoß, der einen fürchterlichen Gestank verströmte. »Der Weltenbaum wächst am verborgensten Ort und seine Samen gedeihen in den tiefsten Wassern. Aus ihnen kommen hervor alle Pflanzen des Himmels und der Erde …«
    »Was ist das für ein Buch?«, wollte Jiril wissen.
    Mira betrachtete den Einband. »Mythologie der Parsen«, entzifferte sie die verschnörkelte Prägeschrift.
    »Völlig falsche Gegend«, behauptete der Alpha und griff sich nun drei Bücher auf einmal. »Küchenrezepte für mongolische Zwergweltenbäume … Blödsinn!« Er warf den Folianten zurück in den Rollwagen und schlug den nächsten auf. »Zwei Liter Urwasser mit einer Prise Zeitsand und einer Garnierung aus gerösteten Weltenbaumsamen …« Kommentarlos ließ er auch das zweite Buch in den Wagen plumpsen. »Getrocknete Blätter als harntreibender Tee bei Gicht«, las er aus dem dritten Folianten. »Getrocknete Samen bei Wassersucht. Blättersaft als Gegenmittel bei Schlangenbissen. In Alkohol eingelegte Samen bei Rheuma. Pulver aus frischer Rinde bei Blähungen …« Krabong!, auch das dritte Buch landete unsanft im Rollwagen. »Bei aller Liebe, Beta, aber hast du außer Küchenrezepten und Omas Hausmittelchen auch irgendetwas Brauchbares gefunden?«
    Mira zog eine zerschlissene Sammlung vergilbter Seiten vom Stapel, deren Einband sich bereits vor Jahrhunderten gelöst zu haben schien. »Hier steht, die Blüten eines Weltenbaums seien auffallend groß«, las sie launisch. »Und seine Früchte, welche die von einer Art Baumwolle bedeckten Arcasien enthalten, zwischen zwölf und achtzehn Zentimeter groß. Ihre Blütezeit liegt zwischen …« Sie stockte kurz, dann zog sie ahnungsvoll den Kopf ein. »Zwischen 3:15 Uhr und 4:10 Uhr in der Frühe«, fuhr sie mit belegter Stimme fort. »Eine ausgewachsene Samenkapsel wiegt 800 bis 1000 Gramm und gehört zur Gattung der Flügelnüsse, die im Morgengrauen, spätestens aber eine Stunde nach Sonnenaufgang, ihren Jungfernflug antreten. Reife Arcasien fliegen in der Regel zwischen 500 und 1500 Kilometer weit. Es wurden jedoch auch schon Flügelnüsse beim Überqueren von Ozeanen beobachtet.« Mira presste die Lippen aufeinander, klappte das Werk zu und schob es frustriert auf das Pult zurück.
    Jiril bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Flügelnüsse, hmm?«, fragte er. Mira zuckte ratlos die Schultern. »Das klingt wirklich großartig«, spöttelte er. »Vielleicht sollten wir einen Bussard zur Arcasienjagd abrichten …« Er warf einen Blick auf das Pult. »Nun gut, zwei Bücher sind noch übrig.« Jiril griff sich das obere und schlenderte beim stillen

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