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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ein verkniffenes Gesicht. »Keine Ahnung. Vielleicht, damit sie der Kerl hört, der die Statue in seinem unterirdischen Versteck bedient?«
    Die Bettlerin wandte sich theatralisch zu Mira um. »Du kannst nun deine Frage stellen, junge Dame.«
    Mira tausche einen Blick mit Jiril, räusperte sich und sah der Steinfigur in die glühenden Augen. »Kannst du mir etwas über die Weltenbaum-Arcasien erzählen und wie man sie pflücken kann?«
    »Was?«, machte das Orakel und schwieg.
    »Du musst lauter reden, es hört nicht mehr so gut«, erklärte die Alte.
    Mira verzog gequält das Gesicht, dann wiederholte sie ihre Frage in angemessener Lautstärke.
    Der Kopf der Statue beugte sich ein Stück nach vorn, als wollte das Orakel nun genau sehen, wer da sprach. Mira war ergriffen von der Szene. War die geheimnisvolle Energiequelle der Darabari in der Lage, Stein zu bewegen, oder hatte sie es hier tatsächlich mit einem lebendigen Geschöpf zu tun? In der Nackenpartie der Figur knirschte es, wie zum Beweis, dass sie einem Wesen aus massivem Fels gegenüberstand, dann antwortete die Statue in tiefem Bariton: »Eine seltsame Frage!«
    »Vielleicht ist die Lautstärke der Fragen und Antworten der Grund dafür, warum die Häuser hier keine Fenster besitzen«, bemerkte Jiril im Flüsterton.
    »Sei still!«, zischte Mira.
    »Wohlan denn!«, donnerte die Stimme des Orakels über den Platz. »Komm nicht, wenn du mühselig und beladen bist, du wirst kein Kraut nicht finden. Die Leere wird die Wurzeln ablösen und befreit werden die Verwirrten ohne Grund. Das Geschriebene wird erfüllen das Wort und die Tat hast du gesehen heute Früh um elf. Warum also fragst du?«
    Die Augen der Statue erloschen, ihr Kopf sank kraftlos nach vorne.
    Nach einigen Minuten befangenen Schweigens war Mira sicher, dass das Orakel seinen sibyllinischen Worten nichts mehr hinzufügen würde. Auch zwei weitere Daram und ein zusätzliches beschwörendes »Rabaukeräuscherlrabatz« ihrer verlumpten Fremdenführerin konnten es nicht mehr aus der Reserve locken. Die Alte murmelte daraufhin ein paar Entschuldigungsfloskeln und suchte flugs das Weite.
    Jiril sah ihr nach, bis sie in einer der Seitengassen verschwunden war. »Das war ja wohl ein Reinfall mit Ansage«, bemerkte er.
    Mira setzte sich konsterniert auf einen der Steinquader und fragte mehr an sich selbst gewandt: »Was war denn heute Früh um elf?«
    Jiril zog die Mundwinkel nach unten. »Wir standen vor der ersten Schutzmauer.« Er machte auf dem Absatz kehrt und erklärte: »Los, lass uns endlich etwas essen gehen. Für heute habe ich genug von Sackgassen und dummen Sprüchen. Vielleicht kommen wir deinen Arcasien in einem der Archive ein Stück näher.«
     
    Mira hatte sich zum Umblättern der rauen Buchseiten Lederstreifen um die Finger ihrer rechten Hand gewickelt und saß müde zwischen übermannsgroßen Bücherstapeln im Lesesaal der Stadtbibliothek. Fast den gesamten Nachmittag über war sie mit Jiril durch Räume gestreift, in denen Bücherregale bis zur Decke reichten und Urkundensammlungen sich meterhoch stapelten. Gemeinsam waren sie Leitern rauf- und runtergeklettert auf der Suche nach Folianten, die ganz oben in den Regalen eingeordnet waren. Jiril stöberte immer wieder in neuen Registern nach Hinweisen, stellte endlos lange Bücherlisten zusammen und fuhr die ausgewählten Werke auf Rollwagen stapelweise zu Mira in den Lesesaal. Das Mädchen durchblätterte die ausgewählten Bücher nach Hinweisen auf die geheimnisvollen Arcasien und Informationen über den Weltenbaum.
    Hatten die Nachforschungen anfangs noch halbwegs Spaß gemacht, überflog Mira nach stundenlanger Suche die Schriftstücke immer unkonzentrierter. Unablässig blätterte sie in vergilbten Büchern und studierte mit müden Blicken kaum entzifferbare Schriftrollen. Doch bisher hatte sie kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt auf die Weltenbaum-Samenkapseln gefunden. Stattdessen wimmelten die Werke von seltsamen Geschichten und Legenden, mythischen Abhandlungen und Reiseberichten. Kochrezepte fielen Mira in die Hände, in deren Ergebnisse sie niemals eine Gabel stecken würde, Liederbücher, deren Gesänge Erdbeben hervorzurufen vermochten, oder Bauanleitungen für Apparaturen, deren Erfinder beim Test ihrer Erfindungen das Zeitliche gesegnet hatten – worauf deren Entwicklung nicht weiter verfolgt worden war.
    Mira schüttelte den Kopf ob all dieser Wunderlichkeiten, bei denen die Fantasie im Galopp mit den Erfindern

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