Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
und das zwölf Stunden lang, bis sie abends um acht Uhr langsam wieder ausgehen.«
    »Altes Sonnenlicht?«, wunderte sich Mira. »Warum denn kein neues, frisches?«
    Jiril begann laut zu lachen. »Du lieber Himmel, du bist vielleicht eine Eule«, amüsierte er sich. »Kein altes Sonnenlicht, Beta, sondern das alte! So, wie es früher war, als es auf der Oberfläche noch Wälder gab.«
    »Heißt das, früher war das Licht gesünder als heute?«
    »Na klar. Schau dich doch mal an.«
    Mira zuckte zusammen. Gleichzeitig schoss eine Woge aus Wut und Scham durch ihren Körper.
    »Das Licht der Sonne setzt sich aus verschiedenen Strahlungen zusammen, die eine unterschiedliche Wellenlänge besitzen«, erklärte Jiril, dem gar nicht bewusst zu sein schien, wie verletzend er Mira gegenüber war. »Diese Wellenlänge wird in Nanometern gemessen. Ein Nanometer entspricht einem milliardstel Meter. Je kürzer die Wellenlänge, desto energiereicher und auch gefährlicher ist die Strahlung, die auf die Erdoberfläche trifft. Früher hat die Sonne dafür gesorgt, dass Pflanzen und Wälder gediehen. Heute jedoch verbrennt sie alles.«
    Mira machte ein verzweifeltes Gesicht. Bausch hatte ihr nie erzählt, dass Sonnenstrahlen eine bestimmte Länge besitzen. Sie holte Luft, um zumindest irgendetwas Schlaues zu sagen, doch Jiril war bereits die Treppe hinuntergelaufen und hatte einen schmalen, gepflasterten Weg betreten, der in den Wald hineinführte.
    Zweifelnd betrachtete Mira ihre Hände und Arme, dann ging sie dem Alpha hinterher.
    »Wir befinden uns hier etwa 300 Meter unter dem Institut und bereits 100 Meter unter Wüstenniveau«, erzählte Jiril, ohne sonderlichen Wert darauf zu legen, dass Mira ihm zuhörte. »Wir nennen die Biosphäre einfach nur den ›Park‹ – weil hier alles künstlich gepflanzt wurde. Er ist fast einen Kilometer lang, an seiner weitesten Stelle 400 Meter breit und erstreckt sich quasi unter dem gesamten Berg.«
    »Ist es denn dann nicht ziemlich gefährlich, hier zu arbeiten?«, bemerkte Mira. »Was ist, wenn die Höhlendecke einstürzt? Dann bricht doch der ganze Berg in sich zusammen, mitsamt dem Institut …«
    Jiril zog die Augenbrauen hoch. »Das wird nicht passieren«, sagte er. »Die Höhlendecke ist so konstruiert, dass sie sich selbst trägt. Man nennt so etwas ein Tonnengewölbe. Zudem sind überall Detektoren verteilt, die kleinste Erschütterungen messen, falls es mal ein Erdbeben geben sollte. Also mach dir keine Sorgen, Beta. Dir fällt schon nicht der Himmel auf den Kopf.«
    »Mein Name ist Mira!«
    Jiril winkte ab. »Meinetwegen.« Er schritt, ohne zu warten, auf den Wald zu. »Komm schon«, rief er über seine Schulter, als das Mädchen nicht sofort folgte. »Laufen wir einmal quer durch, dann muss ich wieder an die Arbeit.«
     
    Der Fußweg führte nicht einfach schnurgerade durch die Anlage, sondern schlängelte sich wie ein verwunschener Pfad durch den Wald. Staunend wanderte Mira zwischen riesigen Bäumen umher, studierte Pilze und Pflanzen, kletterte über mächtige Wurzeln oder ließ ihre Finger über die von Moos und Flechten bedeckte Rinde der Bäume gleiten. Die in Licht gebadeten Baumkronen strahlten im reinsten Grün, das sie jemals gesehen hatte. Tausende von dünnen Lichtfingern drangen durch das dichte Blätterdach bis auf den Waldboden und schufen tanzende Vorhänge aus künstlichen Sonnenstrahlen, in denen Insektenschwärme herumschwirrten. Der Wald mit seinen unbekannten Farben und Geräuschen klang nicht nur faszinierend, er besaß auch einen Geruch, wie Mira ihn nie zuvor gerochen hatte.
    »Anis und Mandel«, klärte Jiril sie auf. »Das kommt von den Pilzen. Nach dem Regen riecht man es am deutlichsten.«
    »Regen?«, staunte das Mädchen. »Hier unten regnet es?«
    »Klar«, nickte Jiril. »Aus einer Sprinkleranlage, die über die gesamte Hallendecke verteilt ist. Wir stimulieren das Wasser mit den Schwingungen und den Tonfrequenzen von Sauerstoff, was sich positiv auf das unterirdische Wachstum auswirkt.«
    »Sieht es so wie hier auch in einem echten Wald aus?«
    »Das ist ein echter Wald«, sagte Jiril.
    Mira ballte für einen Moment die Hände zu Fäusten. »Ich meine, wie in einem natürlichen Wald«, erklärte sie, verärgert über die demonstrative Begriffsstutzigkeit des Alphas, hinter der sich vermutlich nur Überheblichkeit verbarg. »So, wie er früher überall auf der Welt war.«
    Jiril schwieg eine Weile, dann sagte er: »Woher soll ich das wissen? Es gibt

Weitere Kostenlose Bücher