Das Aion - Kinder der Sonne
Kleines«, lachte die Frau, welcher der blitzende Stift gehörte. Im selben Moment stoppte der Lift und die Kabinentüren glitten auf. Mira drängte sich durch Menschen hindurch, die vor dem Eingang warteten, und eilte den Korridor entlang, ohne zu wissen, wohin sie lief.
»Komisches Ding«, hörte sie die Rothaarige noch sagen, dann war sie außer Hörweite.
Mira verlangsamte ihren Schritt und zwang sich zur Ruhe. Für gewöhnlich war sie nicht so schreckhaft, doch die Lichter hatten in ihr eine unangenehme Erinnerung geweckt – an die blitzenden Augen der Echse, die sie gestern erlegt hatte …
Ob das Institut doch etwas mit den künstlichen Tieren in der Wüste zu tun hatte?
Noch halb geblendet von den Blitzlichtern erreichte Mira schließlich die Kantine. Sie versuchte Jiril an einem der zahllosen Tische zu entdecken, doch überall, wo sie hinschaute, tanzten nur dunkle Flecken vor ihren Augen. Nachdem sie sicher war, dass er sich nicht im Raum aufhielt, tat sie es den anderen Neuankömmlingen gleich und bediente sich am Frühstücksbüfett.
Als Mira ihr Tablett durch die Kantine balancierte, fühlte sie zahllose Blicke auf sich ruhen. Während die Erwachsenen sich auf neugierige Blicke beschränkten, redeten die Jüngeren über sie – und gaben sich dabei wenig Mühe, dies vor ihr zu verbergen.
»Das muss sie sein!«, hörte Mira hinter sich eine weibliche Stimme flüstern.
»Schaut euch nur ihre Haut an!«, staunte ein Mädchen im Flüsterton. »Das sieht aus wie Goldstaub!«
»Ich habe gehört, dass Betas völlig resistent sind gegen UV-Strahlung«, wusste ein anderes zu erzählen.
»Sun-Blocker 3000«, witzelte der Junge neben ihr, worauf alle am Tisch verhalten zu lachen begannen.
Kümmere dich nicht um sie, erklang eine beruhigende Stimme in Miras Kopf. Haltung bewahren! Geh einfach weiter, als wären sie nicht da.
Mira spürte, wie ihr der kalte Schweiß auf die Stirn trat. Sie presste die Lippen zusammen, während sie fast schon mechanisch einen Schritt vor den anderen tat.
»Dr. Gayot hat uns erzählt, dass Betas eine völlig neue Blutgruppe haben«, raunte an dem Tisch, an dem sie gerade vorbeikam, ein Junge einem anderen ins Ohr. »Und mit uns immunologisch inkompatibel sind.«
»Ich habe gelesen, sie könnten bei Dunkelheit genauso gut sehen wie Katzen«, gab dieser zurück.
»Mein Vater sagt immer, ihr Gehör sei so gut, dass sie die Sandflöhe husten hören«, scherzte ein Mädchen am selben Tisch.
Schlagartig wurde es in der Kantine verdächtig still. Das Schweigen der Leute war jedoch noch viel bedrückender als ihr Gerede. Mira hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Am liebsten hätte sie ihr Tablett fallen lassen und wäre aus der Kantine gerannt.
»Falls du Jiril suchst, der ist kurz runter in den Hangar«, erklang plötzlich eine bekannte Stimme neben ihr.
Mira sah kurz zur Seite, blieb dann jedoch abrupt stehen, als sie Ben erkannte.
»Tut mir leid, ich habe dich wirklich nicht gesehen«, stotterte sie.
»Oh, das ist nicht deine Schuld«, gestand Ben. »Ich blende mich gerne aus dem Bewusstsein der anderen aus, wenn ich meine Ruhe haben will.«
»Darf ich mich zu dir setzen?«, bat Mira. Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie sich gegenüber von Ben auf einen freien Stuhl sinken. Sie hatte das Gefühl, dass ihre weichen Knie sie keine Sekunde länger getragen hätten.
»Na, wie fühlt man sich als Gesprächsthema Nummer eins?«, erkundigte sich Ben, als ihre Anspannung ein wenig gewichen war.
Mira zuckte die Schultern und stellte ihre Teetasse ab. »Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute Angst vor mir haben oder sich einfach nur über mich lustig machen«, gestand sie.
Ben nickte verständnisvoll. »Oft geht das eine mit dem anderen einher«, erklärte er.
»Aber wieso sollten sie Angst haben? Ich bin doch nur eine Beta …«
»Eben deshalb!« Ben sah das Mädchen ernst an. »Weil du eine Beta bist. Und lass ab jetzt bitte das Wörtchen ›nur‹ weg, okay? Das ist ein ziemlich abwertendes kleines Adverb. Ich wünschte oft, ich wäre ein Beta!«
Mira hörte auf zu kauen. »Was?«, fragte sie mit vollem Mund. »Wieso das denn?«
Ben schüttelte nur den Kopf und winkte ab. Offensichtlich behagte ihm das Thema nicht sonderlich.
»Was hast du?«, wollte Mira wissen.
»Ich ärgere mich über die Verstocktheit deines Vaters. Er hätte dir längst ein paar grundlegende Dinge erklären müssen. Aber er hält es scheinbar für vernünftiger, sowohl die
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