Das Aion - Kinder der Sonne
die vermeintliche Blume sich bewegte.
»Warte mal kurz«, flüsterte sie, doch Jiril war schon zu weit entfernt, um sie zu hören. Daher verließ Mira allein den Weg und schlich sich an das gelbe Etwas heran. Das komische Geschöpf strebte derweil schnurstracks auf eine große, von den Kunstsonnen beschienene Lichtung zu.
Aus der Ferne erklang ein gedämpfter Fluch, dann hörte Mira, wie Jiril nach ihr rief. Statt zu antworten, winkte sie ihm aufgeregt zu, worauf er heftig zu gestikulieren begann. Offenbar hielt Jiril nicht viel davon, durch den Wald zu bummeln. Erst als Mira keine Anstalten machte, zu ihm aufzuschließen, kam er mit energischen Schritten herbeigelaufen.
»Was zum Kuckuck ist denn jetzt schon wieder los?«, beschwerte er sich, als er das Mädchen erreicht hatte.
Mira hob einen Zeigefinger an ihre Lippen: »Pssst, nicht so laut!«, zischte sie. »Da vorne bewegt sich was!«
»Das ist ein Wald, verdammt noch mal«, regte Jiril sich auf. »Hier bewegt sich überall etwas!«
»Es ist dort hinübergekrochen«, erklärte Mira und deutete auf ein Feld mit kniehohen Farnen.
»In die Athyrium- Plantage?« Jiril sah zur Lichtung. »Wahrscheinlich hat irgendein Nagetier nur Nistmaterial zusammengesammelt und in seinen Unterschlupf geschleppt.« Er las einen Ast vom Boden auf und begann damit in den Farnen herumzustochern. Mira folgte ihm und bog die Pflanzen vorsichtig mit den Füßen auseinander.
»Ich sehe nur Kraut, Gras, Pilze und Nacktschnecken«, erklärte Jiril nach einer Weile.
»Wahrscheinlich hast du es längst verscheucht oder sogar zertreten.« Mira sah sich suchend um, dann ging sie auf die Knie und kroch auf allen vieren durch die Farne. Bald tat Jiril es ihr gleich, wobei er in Miras Augen einem grasenden Schiddlegg ähnelte. Plötzlich gab er einen seltsamen Laut von sich und entfernte sich rückwärts kriechend von der Stelle, an der er soeben gewühlt hatte. Sein Gesicht war kalkweiß geworden. »Dort!« Er deutete in die Farne. »Dort ist es!«
Mira kroch zu ihm hinüber. »Hast du es berührt?«
Jiril wischte sich die Hände an seinem Overall ab. »Ja, aus Versehen. Es hat gelbe Fangarme und ein riesiges Maul mit Zähnen, so lang wie dein dummes Gesicht!« Er grinste schief. »Tu mir einen Gefallen und starr mich nicht so dämlich an, Beta! Ich bin einfach nur erschrocken, okay?«
Mira stieß hörbar die Luft aus, verschluckte jedoch die spitze Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Stattdessen erhob sie sich und ging vorsichtig bis zu der Stelle, an der Jiril die Flucht ergriffen hatte. Der Alpha blieb hinter ihr, was nun Mira zu einem verächtlichen Schnauben verleitete. Beherzt griff sie in die Farne und zog die Blätter vorsichtig auseinander. Zwischen dem Grün der Pflanzen saß ein zitronengelbes, langhaariges Etwas und starrte das Mädchen aus einem einzelnen, weit aufgerissenen Auge erschrocken an. Das Wesen blinzelte ein paarmal und sah dann abwechselnd zu Mira und dem ihr über die Schulter blickenden Jiril.
Mira zögerte einen Augenblick, dann streckte sie eine Hand nach dem seltsamen Tier aus. Das Wesen gab ein flötenartiges Geräusch von sich, riss sein Auge noch ein Stück weiter auf und kniff es schließlich verängstigt zusammen.
»Also, gefährlich sieht es nicht gerade aus«, stellte Mira fest. Bevor Jiril sie daran hindern konnte, hatten ihre Finger das Wesen berührt und strichen vorsichtig durch dessen langes Fell.
»Wie kann man dieses hässliche Vieh bloß anfassen?« Jiril schüttelte sich. »Na ja, mit solchen Händen …«
»Ich möchte gar nicht wissen, was du sonst noch alles über uns Betas denkst«, brummte Mira. »Hältst du es in meiner Gegenwart eigentlich nur aus, weil dich Dr. Gayot für deine Gefälligkeiten bezahlt, oder steckt da noch etwas anderes dahinter?«
Jiril starrte pikiert in die Luft. Dann betrachtete er das gelbe Büscheltier mit einer undefinierbaren Grimasse, griff unter das zitternde Geschöpf und hob es schwer schnaufend in die Höhe. Sekundenlang stand er mit weit von sich gestreckten Händen reglos da, dann presste er hervor: »Das – ist – widerlich!«
Mira starrte den Alpha perplex an. »Du brauchst mir nichts zu beweisen«, erklärte sie.
»Ich bin dabei, mir etwas zu beweisen«, stellte Jiril klar. Angeekelt betrachtete er den zitternden Fellball in seinen Händen. »Das Sinnvollste wäre es, einen großen Stein draufzuwerfen«, befand er schließlich.
Das Geschöpf in seinen Händen blähte sich plötzlich zu
Weitere Kostenlose Bücher