Das Aktmodell
erneut bedrängt. “Wann kann sie
sa jointure
füllen, ihre Geldbüchse?”
Der Arzt räuspert sich. “Ich kann Euch erst Genaueres sagen, wenn ich sie untersucht habe, Madame.” Er lächelt.
Ich zwinkere Delphine grinsend zu. Jetzt denkt er sicherlich, dass sein lustvolles Vergnügen gekommen ist. Er packt sein hölzernes Stethoskop aus und hält es an meine Brust. Auf der rechten Seite. Das gibt ihm die Gelegenheit, mit dem Instrument ein wenig auf meinen Brüsten herumzufahren, meinen Morgenrock zu öffnen und meine Nippel ein wenig zu kneifen.
“Was ist denn das?”, fragen seine Augen, als er unter meinen Morgenrock greift. Seine Finger finden nur das weiche Material meines Büstenhalters, aber die Erkundung meines Fleisches ist fürs Erste unterbrochen.
“Beeilt euch,
Monsieur le docteur
, ich habe viel zu tun”, drängt Madame Chapet und spielt dabei ungeduldig mit ihrer Perlenkette. “Ich bin zur Eröffnung des
Moulin Rouge
eingeladen.”
“Sagtet Ihr
Moulin Rouge
, Madame?” Ich setze mich abrupt auf, sodass der Doktor rückwärts taumelt.
“Ah,
mais oui
, ja. Ein neuer Tanzpalast wird in Montmartre eröffnet, am Fuß von
La Butte.
Es wird das gesellschaftliche Ereignis des Jahres werden. Die Crème de la Crème von Paris wird anwesend sein. Und all die Tänzerinnen, La Goulue, Nini, Pattes-en-L’Air.” Sie lehnt sich vertraulich zu uns und spricht mit verschwörerischer Stimme: “Monsieur Chéret arbeitet gerade an einem neuen Poster, das eine
vendeuse d’amour
, eine Liebespriesterin darstellen soll, wie sie rittlings auf zwei Eseln in den neuen Tempel der Lust einreitet.”
Erstaunt schüttle ich meinen Kopf. Von der Eröffnung des
Moulin Rouge
zu hören ist so, als ob man etwas über einen alten Freund erfährt.
“Seine Lordschaft, der Duke of Malmont, besteht darauf, dass ich ihn zur Eröffnung begleite”, sagt Madame stolz und öffnet ihre engen Kragen, einen nach dem anderen. “Und Ihr auch, Autumn. Natürlich werde ich die Anstandsdame sein.”
Eine Anstandsdame will sie für mich sein?
Du willst mich wohl eher direkt in sein Schlafzimmer bringen, damit er mich da erst betatschen und dann vögeln kann, du alte Hexe.
“Aber Madame Chapet, ich habe nichts anzuziehen”, protestiere ich und wundere mich, dass Paul mir nichts von der Eröffnung erzählt hat. Ein schrecklicher Gedanke kommt mir. Wird er vor dieser Nacht verschwinden? Oh Gott, nein!
“Ah, macht Euch darüber keine Gedanken, Delphine wird etwas für Euch schneidern.”
Ich sehe Delphine an. Die kleine Näherin lächelt schwach und nickt. Leider muss sie alles machen, was Madame Chapet ihr vorschreibt. Das verstehe ich, aber ich muss unbedingt mit Paul reden. Ich kann doch nicht mit Lord Bingham ins
Moulin Rouge
gehen. Unmöglich!
Ich schaue auf die Schwellung meiner Brüste, die unter meinem neuen BH hervorschauen. Aber eine kleine Festung aus Seide wird Lord Bingham nicht davon abhalten, mir seine Aufmerksamkeit – und seinen Schwanz – aufzudrängen. In diesem Mann steckt eine Grausamkeit, die unter der Oberfläche brodelt. Eine Grausamkeit, die mir Angst macht.
Was soll ich bloß machen?
Was?
Ich hebe meinen Blick und schaue auf Madame Chapet. Wie ich sie hasse! Ich verabscheue sie! Sie ist fett und gierig, und sie würde niemals ihre Tür einem Armen öffnen, selbst wenn er auf der Stufe vor dem Haus im Sterben liegt. Von ihr kann ich sicherlich keine Hilfe erwarten.
Mich überfällt das schreckliche Gefühl, dass aufgrund von Madames Geldgier noch weitere, und vielleicht schlimmere, Erfahrungen auf mich warten.
Ich stelle mir vor, wie mein nackter, rasierter Körper eingeölt und mit Händen und Füßen an den Bettpfosten gebunden im sanften Licht der Gaslampe schimmert. Und dann? Wie viele Gentlemen werden ihre Neigung zur Dominanz im Namen der Leidenschaft an mir ausleben, während ich, mich windend, auf dem schmutzigen Laken liege und mich nur nach einem Mann sehne? Nach Paul.
Die Türglocke schellt, und jemand kündigt an, dass der Künstler gekommen ist. Für diesen Moment fliege ich den Armen meines Geliebten entgegen und lasse alle meine Sorgen hinter mir.
Im Empfangssalon sitze ich auf ein Sofa gebettet, inmitten von Seidenkissen, und lehne mich zurück. Wie schön er aussieht, mein Schatz, mit seinen intensiven Augen, so grau wie Sturmwolken, und dem schulterlangen Haar. Er hält einen Stift in der einen und ein Stück Kohle in der anderen Hand, und auch wenn er mich nie aus den Augen
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