Das Aktmodell
Madame? Wenn Ihr Euch nicht eingemischt und dem Duke erzählt hättet, wo ich zu finden bin, wäre ich jetzt mit Paul in der heißen Sonne, barbusig und mit nichts bekleidet als Ananasblättern um meine Hüften.”
“Ihr Mädchen seid so undankbar”, beschwert sich Madame. “Wie auch immer, ich werde darüber hinwegsehen, Mademoiselle, da ich vorhabe, den Duke um ein zusätzliches Honorar für Eure Dienste heute Nacht zu bitten.”
Ich stöhne. “Habt Ihr mir noch nicht genug Schmerz bereitet?”
“Schmerz? Es wird Euch Vergnügen bringen, Mademoiselle, wenn der Duke Euch endlich fickt,
n’est-ce pas?”
Hinter meinem Fächer strecke ich ihr die Zunge raus, dann ignoriere ich den Rest ihrer Bemerkungen. Stattdessen kreische ich hysterisch wie der Rest des Publikums, von den adligen Damen bis zu den brotlosen Künstlern und Studenten. Die illustren Gäste des
Moulin Rouge
setzen sich aus Aristokraten, Unternehmern und Künstlern zusammen. Die Boheme von Paris. Mein Traum. Hier wird das Leben intensiv und voller Leidenschaft gelebt.
Aber wen interessiert’s? Ohne Paul bedeutet es mir nichts. Ich bin wie eine schöne Rose in der vollen Blüte ihrer roten Leidenschaft, sanft, seidig, strecke mich in einem üppigen und pulsierenden Garten der Sonne entgegen, strecke und strecke mich, aber sterbe an den Wurzeln langsam ab.
Eine Hand drückt sich auf meinen unteren Rücken. Es ist Lord Bingham, der einen eleganten Smoking trägt, mit passender Satin-Weste und einer weiß bestickten Krawatte. Wie die anderen Männer hier trägt er auch einen glänzenden Zylinder, und um ihn vor Dieben zu schützen, behält er ihn immer auf. Ich hoffe, er behält auch seinen Prügel in der Hose.
“Gefällt es Euch, Mademoiselle?”, flüstert er mir ins Ohr und bläst mir heiße Luft in den Nacken.
“Das war in der Tat der Fall”, sage ich kalt. “Bevor Ihr aufgetaucht seid.”
Er lacht. “Bald werdet Ihr noch mehr Vergnügen haben, Mademoiselle, sehr bald. Der Abend wird nicht eher enden, bevor nicht der gefiederte Hahn sich mit der samtenen Amsel der Nacht verpaart hat.”
Ich rücke von ihm ab. Was erzählt er da für einen Unsinn? Hat das etwas mit der schwarzen Messe zu tun, die Madame Chapet erwähnt hat? Oh mein Gott, ich hoffe nicht.
Ich tue so, als ob ich ihn nicht verstanden habe. “
Pardon
, Monsieur?”
“Ihr werdet es bald herausfinden,
ma belle.”
Er greift nach einem Strauß Maréchal-Niel-Rosen von einem vorbeigehenden Kellner und überreicht ihn mir. Angewidert sehe ich ihn an und werfe die Rosen auf einen kleinen Tisch. Er lacht erneut auf.
Was geht in diesen dunklen Augen vor? Schwarzes Öl scheint das Weiß in ihnen grau zu färben und gibt seinem Gesicht einen grausamen, sadistischen Ausdruck. Es hypnotisiert mich und macht mir gleichzeitig Angst.
Ich schaue in die andere Richtung und fächle mir kühle Luft zu, indem ich die Röcke meiner langen silber-rosé-blauen Lamérobe lüfte, sodass mein pinkfarbener Petticoat darunter zum Vorschein kommt. Die Hitze ist erdrückend, doch liegt auch eine verführerische Erotik in der Luft und betäubt die Zuschauer mit ihrem magischen, schweren Parfum. Ein wollüstiger Duft, der das Tier im Menschen herauslockt. Auch der Engländer scheint sich dem nicht entziehen zu können.
Ich fühle, wie eine Hand meine Hüften kneift. Der Duke. Er lässt seine Finger über meine Brüste wandern und liebkost die Schwellung meines Busens.
Ich kann nichts dagegen machen. Die Menschenmenge drückt uns gegeneinander. Damit nicht genug, presst auch noch Madame Chapet ihren üppigen Körper an mich und bewegt ihre Hüften zum Rhythmus der Musik, sodass ich zwischen ihr und Lord Bingham eingeklemmt bin.
Lord Bingham massiert meine Schultern mit seinen Händen, dann werden seine Berührungen intimer. Er greift zwischen meine Schenkel und massiert meine Pflaume, drückt seine Finger an meine saftigen Lippen, als könnten seine Finger es kaum erwarten, in mich einzudringen. Überrascht von der Berührung zucke ich zurück. Seine Augen verengen sich mit einem verärgerten Blick. Ich kann ihn nicht von seinem Tun abhalten, ohne eine Szene heraufzubeschwören.
Um mich ihm zu entziehen, schiebe ich mich am Rande der Tanzfläche entlang. Die elektrischen Lichter werfen ein Schattenmuster auf mein Gesicht. Zum Teufel mit dem Duke, mit der Madame und mit allem hier.
Wie soll ich es länger ertragen, dass er mich anfasst, mich mit seinen Fingern überall berührt, meine
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