Das Aktmodell
verfluchte Engländer.
Ein silberfarbenes Cape verdeckte nun ihre Brüste, aber er konnte sich auch so noch sehr gut daran erinnern. Mit den Armen wedelte sie in der Luft herum und schien über irgendetwas sehr aufgeregt zu sein. Sie lächelte, lachte sogar, und ihr Gesicht war gerötet. Ihr rotes Haar fiel ihr wellig über die Schultern und schimmerte feurig im Licht der Gaslampen.
Gott, war sie schön!
Das Trio war gerade im Begriff, die Veranstaltung zu verlassen, und bewegte sich in Richtung des Ausgangs. Paul bahnte sich einen Weg durch die Menge von unrasierten Männern mit speckigen Kragen und schwarzen Nägeln, die von schrill gekleideten und manikürten Damen begleitet wurden. Er drängte sich vorbei an Gentlemen, die eine aristokratische Blasiertheit verströmten und so taten, als ob sie nur ihren Frauen zuliebe dieses Spektakel über sich ergehen ließen. Er ignorierte das aufgeregte Geschnatter der Damen und hörte nur ihre Stimme.
“Wieso müssen wir denn so schnell aufbrechen, Lord Bingham?”, fragte Autumn schmollend. Er grinste. Diesen Schmollmund kannte er nur zu gut. Aber musste sie immer so unverschämt verführerisch aussehen, wenn sie mit diesem Engländer zusammen war?
“Lord Bingham war sehr geduldig mit Euch, Mademoiselle”, sagte Madame Chapet und zitterte vor Erregung. “Der Moment, ihm
votre bonbonnière
, Eurer Döschen mit Naschwerk, zu überreichen, ist jetzt gekommen.”
“Ich werde nicht mit Euch gehen.” Sie drehte sich auf dem Absatz um, aber der Engländer hielt sie am Ellbogen fest.
Lord Bingham schüttelte energisch seinen Kopf. “Ihr kommt jetzt mit mir. Ich habe lange genug auf diese Nacht gewartet.”
“Aber meine Pluderhosen sind zerrissen …”, versuchte Autumn eine Ausrede zu erfinden.
“Umso besser! Das wird mir die Arbeit ersparen, sie Euch von Eurem entzückenden Leib reißen zu müssen, Mademoiselle. Lasst uns gehen.”
Dieser Bastard!
Er wird tot sein, bevor es dazu kommt.
Paul konnte sehen, wie Autumn zusammenzuckte.
“Ich werde nicht einen Schritt mehr tun, bevor Ihr mir nicht genau sagt, wo wir hingehen.”
Der Duke lächelte. “An einen Ort, an dem die Nacht niemals zu Ende geht und der Prinz der Dunkelheit regiert.”
Paul sah den ängstlichen Ausdruck in ihrem Gesicht, und dann waren sie auch schon fort. Verschwunden in der Menge wie gespenstische Erscheinungen, die die Erde verlassen wollten. Er versuchte ihnen zu folgen, aber er hatte sie aus den Augen verloren. Verdammt, der Ausdruck auf dem Gesicht des Duke hatte ihm gar nicht gefallen. Böse. Kalkulierend.
Der Prinz der Dunkelheit?
Von allen Vergnügungen, die ihre Faszination auf die Aristokraten ausübten, war die zügelloseste und verstörendste die schwarze Messe, das wusste Paul. Menschenopfer. Sexuelle Perversionen. Der Prinz der Dunkelheit hielt in einer Arena Hof, die solche perversen Geschmacklosigkeiten ermöglichte.
Aber wo?
Der Ort wurde immer streng geheim gehalten, und obwohl er die meisten
hôtels privés
im Quartier Marais kannte, in denen solche Zeremonien abgehalten wurden, wusste er dennoch nicht, welches heute dran war.
Welches könnte es sein?
Er fragte zwei befreundete Künstler, die in einem Arm eine verschwitzte Tänzerin und in der anderen Hand eine Flasche eisgekühlten Champagner balancierten.
“Habt Ihr nicht mitbekommen, dass heute eine schwarze Messe im
hôtel privé
des Marquis de la Pergne stattfinden soll?”
Paul gefror das Blut in den Adern. Der Marquis war die Wiedergeburt des Teufels. Bekannt für seine ausgefallenen Orgien, war er unter den sexuell perversen Gentlemen der Stadt wohlbekannt, den Adligen, die sich den gotteslästerlichsten Bedürfnissen hingaben, Fesseln und Drogen in alten, dämonischen Ritualen einsetzten, die die völlige Selbstaufgabe der geopferten Jungfrauen forderten. Dadurch sollte die sexuelle Potenz des Gastgebers dieses Festes besonders gestärkt werden.
Der Duke.
Er musste sie retten.
Meine Augenbinde ist zu eng. Ich hebe meine Hand, um mir das schwarze Satinband, das meine Augen bedeckt, ein wenig zur Seite zu schieben. Aber behandschuhte Finger greifen nach meinem Handgelenk, und warmer Atem flüstert in mein Ohr: “
Attend
, Mademoiselle. Wartet. Ihr werdet noch früh genug sehen, wohin wir gehen.”
Es ist die Stimme von Lord Bingham. Eiskalte Furcht läuft mir über den Nacken hinunter bis zu den unziemlichen Tränen in meiner Möse. Offen. Feucht. Einladend. Meine Pflaume tropft von Nässe,
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