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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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Tontöpfchen hoch, das neben der Farbpalette steht. Es ist leer. Während ich geschlafen habe, hat er meine Säfte mit seinen Farben vermischt. Ein seltsamer Gedanke, dass mein Honig in groben Strichen über die Leinwand fließt, anstatt aus meiner Blume zu strömen.
    Rastlos laufe ich auf und ab, denke nach. Auch wenn ich die Tatsache akzeptiere, dass ich jederzeit wieder in meine eigene Zeit zurückversetzt werden könnte, sehnt ein anderer, romantischer Teil von mir sich danach, dass er mich als die Frau sieht, die ich bin. Ich muss ein Teil seiner Welt werden, um hier zu überleben und Paul dazu zu bringen, sich in
mich
, die
Frau
, zu verlieben. Nicht in den Körper. Verdammt, das schaffe ich auch. Allerdings wage ich nicht, daran zu denken, was passieren würde, wenn er mich so sehen könnte, wie ich wirklich bin. Vierunddreißig, fast fünfunddreißig, mit einem kleinen Bauch und ersten Fältchen.
    Als nun weißglühende Hitze durch meine Lenden schießt, schiebe ich meinen sexuellen Hunger beiseite und widme mich stattdessen dem Berg von abgelegten Kleidern in einer Ecke des Studios.
    Der dunkle Moment geht vorbei, und meine Sinne klären sich wieder – soweit man in diesem erotischen Fantasieland von
klar
reden kann. Ich schiebe leere grüne Flaschen zu Seite, die einen mir inzwischen wohlbekannten Geruch verströmen. “Absinth”, flüstere ich.
    Anscheinend trinken Künstler mehr, als dass sie essen, denn etwas Essbares finde ich im Atelier nicht. Schlanke Linie hin oder her, ich habe jetzt Hunger. Großen Hunger! Sobald ich erst einmal passende Kleider gefunden habe, werde ich doch sicherlich hier in der Nähe eine
Boulangerie
oder
Patisserie
auftreiben können.
    Von ganz oben auf dem Kleiderstapel nehme ich meinen weißen Petticoat mit den aufgestickten rosa Schleifchen, dazu gelbe Höschen, ein braun kariertes Taftkleid mit
sehr
tiefem Ausschnitt und schmaler Taille, schwarze Seidenstrümpfe und zwei Strumpfhalter. Außerdem entdecke ich noch bequeme beigefarbene Ballerinas, die mir viel besser gefallen als diese spitzen geknöpften Schnürschuhe, einen kleinen weißen Hut mit schwarzer Schleife und ein rotes Seidenkorsett mit schwarzer Schnürung.
    Wo ist eigentlich mein rotes Samtcape?
    Ich suche überall im Atelier danach, aber leider vergeblich. Stattdessen entdecke ich ein Bild nach dem anderen von Frauen in verschiedenen Stadien der Entkleidung, Kohlezeichnungen von Aktdarstellungen und braunes Packpapier mit verkrusteten Farbresten. Ich rieche daran, um herauszufinden, ob die Farben auch mit ihren … na, Sie wissen schon, vermischt sind.
    Dann schreibe ich Paul noch schnell eine kurze Notiz mit frischer roter Farbe:
Paul, ich bin kurz weg und versuche etwas zu essen zu finden. Ta chérie, Autumn.
    Die Nachricht lege ich auf seine Staffelei und bemerke dabei in einer Ecke des Zimmers etwas Rotes auf dem Boden. Es ist mein Umhang, und als ich danach greife, fällt die kleine Bronzestatue des Gottes Min heraus. Ich freue mich so sehr über diese Entdeckung, dass ich den ägyptischen Gott völlig überwältigt zwischen meine nackten Brüste presse wie einen alten Freund. Wie ist er nur hierhergekommen?
    Na egal! Alles, was der alte Künstler mir über die sexuellen Kräfte dieser Statue erzählt hat, entspricht der Wahrheit. Ich habe mich ihrer Magie anvertraut, und nun bin ich jung, schön und unglaublich geil noch dazu. Aber ich habe schreckliche Angst davor, was passiert, wenn dieser verrückte Trip vorbei ist.
    Ich habe meine Seele verkauft, um Paul Borquet zu finden.
    Ich bete zu Gott, dass ich das nie bereuen werde.

8. KAPITEL
    D as Kleid stinkt. Der Schweiß der früheren Besitzerin steigt mir in die Nase, und es fällt mir schwer, ihn zu ignorieren. Die Risse in Kleid und Petticoat erschweren mir das Gehen ganz erheblich, als ich meinen Überrock lupfe und die Rue Cortot überquere, um zur Rue de Mont zu gelangen. Ich gehe durch eine stille Seitengasse, über einen verlassenen Platz, von dem mehrere gleich aussehende Sackgassen abgehen, und versuche dabei dem Gras auszuweichen, das auf dem Bürgersteig wächst. Dann steige ich eine kleine Treppe hinab, deren Stufen in bronzefarbenem Morgenlicht baden.
    Ich kratze mich. Wem auch immer das Kleid vorher gehört hat, sie hat es anscheinend nie gewaschen. Es riecht nach Schweiß und Sex. Die Verarbeitung ist so schlecht, dass ein Ärmel bereits abgerissen ist, als ich es über den Kopf ziehen wollte. Das Schlimmste ist aber, dass die oberen

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