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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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sich jeden Augenblick ändern konnten, fand er es doch erstaunlich, dass sich die Blondine auf einen Straßenkampf mit Autumn eingelassen hatte. Lillie war kokett und liebte die Aufmerksamkeit von Männern, die ihre Schönheit bewunderten. Doch ihr Körper war ihr immer heilig gewesen. Warum sollte sie sich also der Gefahr aussetzen, ihn durch Verletzungen verunstalten zu lassen? Doch wohl nur, weil sie so eifersüchtig auf die Rothaarige war, dass sie alles riskierte, um sie aus dem Weg zu räumen, damit sie wieder in sein Bett kriechen konnte.
    Frauen! Er würde sie niemals verstehen lernen.
Jamais.
Niemals.
    Angetrieben von dem Gedanken, dass Lillie keinen Augenblick gezögert hätte, ihr Messer zu benutzen, fragte er sich, welcher ihrer Bewunderer ihr wohl diese scharfe Waffe geschenkt hatte, mit der man sogar Haare schneiden konnte.
    “Zu schade, dass die Vorstellung jetzt vorbei ist, eh, Monsieur?”, sprach ein Mann ihn an. Dabei pfiff er durch die Zähne und machte eine obszöne Bewegung.
    “Zu gerne hätte ich gesehen, wie sich diese Huren gegenseitig die Kleider vom Leib reißen.”
    “Ihr benehmt Euch ungehobelt, Monsieur”, erwiderte Paul und knirschte dabei mit den Zähnen. Er musste sich ziemlich zusammenreißen, dem anderen nicht ins Gesicht zu schlagen. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, und seine dunklen, blauen Augen wurden eiskalt.
    “Monsieur?”
    “Ich kenne die Rothaarige”, erwiderte Paul.
    Der Mann lachte. “Ich bin sicher, die Hälfte aller Männer von Paris kennt diese beiden Frauen, Monsieur”, kicherte er. “Sie wissen, wie man den Samen eines Mannes am besten schluckt.”
    “Haltet Euren Mund, Monsieur. Oder ich werde dem etwas nachhelfen.”
    “
C’est vrai?
Ach wirklich? Wenn Ihr mich anfasst, dann werde ich die Polizisten zurückholen.”
    Paul wusste, dass der Mann bluffte. In diesem Teil von Montmartre hatte der Präfekt die Polizei angewiesen, sich aus allem herauszuhalten. Einzig die Prostitution sollte verfolgt werden. Außerdem hatte Paul auch keine Angst vor ihm. Wenn er nicht gerade hinter seiner Staffelei stand, vertrieb er sich die Zeit im
gymnase
, dem Boxverein, der hinter dem Bahnhof
Gare de L’Est
lag. Er hatte auch schon als professioneller Boxer gearbeitet, aber seine Malerei kam an erster Stelle, es sei denn, er brauchte dringend Geld. Dann trat er für die Hundertfrancswetten, die von den anspruchsvolleren Boxvereinen veranstaltet wurden, in den Ring. Er war für seine harten Linkshaken bekannt, und seine gefährliche Rechte hatte schon so manchen Kampf frühzeitig beendet. Zum Glück hatte er seine Hände im Kampf nie verletzt.
    “Hört auf, mir zu drohen, Monsieur”, warnte ihn Paul. “Ich habe keine Geduld für …”
    Ohne Vorwarnung griff der Mann ihn von hinten an und sprang auf seinen muskulösen Rücken. Aber Paul befreite sich mit Leichtigkeit. Der Mann versuchte erneut, ihn anzugreifen, aber Paul war erfahren genug, um seine Schläge nicht vorher zu verraten. Seine Rechte bewegte sich leicht nach vorn, und ehe der Mann sich’s versah, lag er im Graben. Die blutende Wunde über seinem Auge sorgte dafür, dass er fürs Erste genug hatte.
    Völlig unbeeindruckt von dem Angriff und schweißgebadet nahm Paul seinen Weg wieder auf. Die Schritte trugen ihn überall- und nirgendwohin. Ein schmerzhafter Stich fuhr durch seinen Schädel, als ob sich eine geheime Tür geöffnet hätte und ihn zwang, sich mit dem Dämon dahinter auseinanderzusetzen. Bevor er wieder Luft holen konnte, um seine Gefühle zu beruhigen, schien die Zeit für einen Augenblick stehen zu bleiben. Er befand sich in einem tranceartigen Zustand, in dem Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verschmolzen.
    Alte Erinnerungen aus seiner verlorenen Jugend kamen ihm wieder ins Gedächtnis. Es waren immer die gleichen Bilder: Er war in einem mit Gips verputzten Bauernhaus. Die moosgrünen Fensterläden waren geschlossen und hielten das Sonnenlicht und die zauberhaften Blumen fern. Nur die Kahlheit der grauen Wände umgab ihn.
    Paul sah einen Mann mit schweren Stiefeln. Er trug eine Hose mit Knöpfen an den Beinen, dazu ein weißes Hemd, und beugte sich über ihn. Sein Strohhut war wütend auf den Boden geworfen worden, die Fäuste im Zorn geballt, bereit, jederzeit mit dem Bambusstock auf ihn einzuschlagen. Sein Stiefvater brüllte ihn an, versuchte seinen Willen zu brechen und schwankte dabei selbst am Rande der Hysterie.
    “Streck deine Hände aus,

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