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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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anordnen.”
    “Seid Ihr Euch sicher, dass die Wärterin das auch weiß?”, scherze ich.
    Ich muss irgendetwas tun. Aber was? Ich habe kein Ass mehr im Ärmel.
    Ich gehe in die Hocke, nehme die Hitze des Augenblicks durch den dünnen Stoff meiner Gefangenenuniform in mich auf, als die Peitsche der Wärterin wie der Fluch eines gefallenen Engels durch die Luft schwirrt und meinen Kopf nur um Zentimeter verfehlt. Einmal, zweimal und noch einmal schlägt die abgenutzte lederne Peitsche mit einer solchen Wucht auf dem Boden auf, als ob der Teufel einem Gläubigen die Seele aus dem Leib prügelt.
    Ich wische mir mit dem Handrücken über die Lippen und zucke mit keiner Wimper. Stattdessen versuche ich, die anderen Gefangenen vor dem reißenden Strom aus Heulen und Kreischen zu schützen, der auf uns zuwankt und droht, uns in Stücke zu reißen. Eine Woge von Zorn verdrängt meine Angst. Mit gestrafften Schultern versuche ich meine Mission zu erfüllen, während ich beobachte, wie die Wärterin ihre lange Peitsche immer und immer wieder auf den Boden knallen lässt. Ihr ausladender Bauch hebt und senkt sich im Takt ihrer schweren Atemzüge. Ich schreie laut auf und reiße die Arme hoch, um mich zu schützen. Mein Magen beginnt zu rebellieren, und eine Panik erfüllt mich, die ich nicht in Worte fassen kann.
    Es ist ziemlich klar, dass das strohblonde Scheusal bei mir keine Gnade walten lassen wird. Während ich die Schweißtropfen von meiner Nase wische, schaue ich mich hektisch um, ob ich irgendetwas entdecke, was ich als Waffe nutzen könnte. Kein Stein steckt lose in der Wand, aber als die Wärterin durch den Schrei einer der Frauen kurz abgelenkt wird, zwingt ein unheimlicher Mut mich vorwärts.
    Ihre Selbstsicherheit wird erschüttert. Doch sie will nicht zugeben, dass sie unfähig ist, ihre Beute zu erlegen, und so dreht sie sich um und hebt ihre Peitsche, um erneut nach mir zu schlagen.
    Ich schleiche mich von hinten an sie heran. Ich wäre bereit, mich mit bloßen Händen zu verteidigen, aber sie zittern so stark, dass ich stattdessen meine Röcke hebe und der Wärterin einen heftigen Tritt in den Hintern verpasse. Eine andere Frau tut es mir gleich, dann noch eine.
    Ein erstaunter Aufschrei lässt die Hand der Wärterin erstarren, als sie nach vorn geschubst wird. Die Muskeln ihres Oberarms krampfen sich zusammen und zwingen sie, die Waffe fallen zu lassen. Schnell greife ich danach, und wieder schreit jemand. Ich höre das Rascheln eines schwarzen Talars und das Geräusch von Rosenkranzperlen, die aneinanderschlagen. Dann gebietet die Stimme einer alten Frau dem Treiben Einhalt.
    Die Mutter Oberin.
    Ich schaue zurück. Die Wärterin kommt nur mühsam wieder auf die Beine, keuchend und völlig atemlos. Ihre geweiteten Augen blicken matt, doch der Hass in ihnen scheint ungebrochen. Ihr gelbes Haar steht nun in alle Richtungen ab und entblößt die schwarzen Ansätze. Ich will davonrennen, aber meine Beine bewegen sich nicht. Ich fühle nichts außer der Hitze des Gefechts, das mein Blut in Wallung gebracht hat. Ich will hierbleiben und mit der strohhaarigen Wärterin kämpfen, sie treten, zu Boden schlagen, ihr zeigen, dass ich kein Feigling bin.
    Stattdessen bekomme ich die Sonderbehandlung im Hof.
    Meine Beine fühlen sich an wie Blei, mir ist etwas schwindelig, und es fällt mir schwer, zu atmen. Das liegt an dieser unmöglichen Position, kniend, mein Kopf und meine Hände eingespannt in dieses Holzgerüst. Es ist nicht nur die Demütigung, sondern die verdammte Unbequemlichkeit dieser Situation. Die ganze Nacht habe ich so gefesselt zugebracht, in mir tobten fürchterliche Angst und meine Überlebensinstinkte, und ich fragte mich, was wohl mit Lillie passiert ist. Warum ist sie noch nicht aufgetaucht, wo ich doch jetzt in meinem hilflosen Zustand leichte Beute für sie wäre? Mir wurde eine kleine Verschnaufpause gewährt. Aber für wie lange? Einen Tag? Oder zwei?
    Zumindest bin ich vor der Sonne geschützt. Der graue Gefängnishof liegt im Schatten, und ein kühler Wind bläst mir die Röcke von hinten gegen die nackten Beine.
    Meine Kleider sind zum Glück trocken, im Gegensatz zu denen von einigen anderen Gefangenen. Alle zwei bis drei Stunden dürfen wir unsere Notdurft verrichten, so wie es den Wärterinnen gefällt. Aber einige können nicht lange genug einhalten. Der Hof riecht nach Urin, und das macht die Situation nicht gerade erfreulicher.
    Ich schaue mir die Frauen an, die mein erbärmliches

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