Das Aktmodell
Schicksal mit mir teilen. Blasse Augen und heruntergezogene Mundwinkel. Im Anbruch der blau schimmernden Morgendämmerung wirken ihre Gesichter aschgrau, wie Steinstatuen.
Wir unterhalten uns miteinander, schätzen uns glücklich, von der Mutter Oberin diese Strafe erhalten zu haben, anstatt uns den Händen des
bon docteur
ausliefern zu müssen, aber unsere Laune ist düster. Einige versuchen zu schlafen, andere weinen. Ist es die demütigende Position in diesem Folterinstrument, die uns so ernsthaft sein lässt?
Völlig erschöpft von einer schlaflosen Nacht, versuche ich munter zu werden. Ich schüttle meinen Kopf, kneife die Augen zusammen und versuche meine Schläfrigkeit zu vertreiben wie eine lästige Fliege, die mir auf der Nase sitzt. Es hilft aber nicht. Die Müdigkeit überrollt mich wie eine riesige Ozeanwelle, dämpft meine Sinne und hinterlässt eine Leere anstelle meines Hirns.
Viele Stunden habe ich die Gespenster beobachtet, die durch den Gefängnishof tanzen und mit mir flirten. Ich weigere mich zu glauben, dass die durchsichtigen Irrlichter, die auf den feinen Nebelschwaden reiten,
keine
Geister sind. Für mich sind es feixende, schielende Kreaturen, die mit verwirrenden Visionen in meinen Schmerz eindringen.
Sie necken das bisschen Verstand, das mir noch geblieben ist, mit eiskalten Erinnerungen daran, dass ich noch eine ganze Weile hierbleiben werde, wenn Madame Chapet nicht endlich auftaucht.
Ich schüttle meinen Kopf und blinzle ein paarmal, um diese Wahnvorstellungen aus meinem Gehirn zu vertreiben. Die Morgendämmerung steht kurz bevor, aber das ändert gar nichts.
Ich bin immer noch in St. Lazare.
Ich habe keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber Lillie.
Und das ängstigt mich zu Tode.
Ich schließe meine Augen. Ich habe keine Lust mehr, zu beobachten. Zu warten.
Und fürchterliche Angst habe ich auch noch.
Jeder Windhauch kann bedeuten, dass die Wärterin zurückkommt, bereit, mich weiter zu verhöhnen, mir zu drohen, dass sie mir die Haare abschneidet, und mich zu ihrer Liebhaberin macht. Dann würde ich bei den Mahlzeiten auf sie warten müssen und zu ihr ins Bett kommen, wann immer ihr danach wäre. Sie würde ihre Finger tief in mich hineinstoßen, bis ich vor Lust aufstöhne. Kurze, dicke Finger mit gesplitterten Nägeln tauchen in mich ein und zerren an meinem verletzten Fleisch, um dann mit meinen Säften die von Orangenhaut gezeichneten Brüste einzuschmieren und ihnen so ein jugendliches Aussehen zu verleihen.
Ein Schauer läuft mir über den Rücken, und ich erinnere mich an mein nächtliches Erlebnis, als zarte Hände animalische Leidenschaft in mir entfachten. Ihre süß duftende Möse hat mich dazu verleitet, meine eigenen Grenzen zu überschreiten, und ich bereue es nicht. Ich fühlte, dass diese junge Frau sich genauso sehr nach Freundschaft und Nähe sehnte wie nach Sex. Ich kann es ihr nicht verdenken. Meine eigene Einsamkeit hat sich tief in mich hineingefressen, doch sie kann nicht durch die zärtlichen Liebkosungen einer anderen Frau geheilt werden.
Was mich viel mehr frustriert, ist diese Sehnsucht, die in meinem Bauch aufsteigt, wenn ich an Paul denke. Ich sehe sein Gesicht vor mir, stelle mir vor, dass er in mich eindringt, in meinen Körper, in meine Seele. Ich verzehre mich nach dem intensiven Gefühl, wenn meine Muschi ihr liebstes Lied summt und sich dabei rhythmisch um seinen zuckenden Schwanz schließt. Werde ich ihn jemals wieder lieben, oder wird meine Pussi mich betrügen, wenn der Drang nach Erlösung so groß geworden ist, dass ich die Kontrolle verliere? Werde ich dann wen oder was auch immer aufnehmen, nur um überhaupt etwas in mir zu spüren?
Ich bin jetzt also jung und schön. Und was hat mir das gebracht? Bis jetzt nichts als Ärger.
Aber trotzdem möchte ich diese Zeit noch nicht verlassen. Nicht bevor ich nicht das Geheimnis um Paul Borquet gelöst habe. Okay, ich geb’s zu, der Sex mit ihm ist zudem fantastisch. Und auch wenn ich mich
nicht
in ihn verlieben darf, habe ich doch immer noch Paris.
Ich versuche meine Gedanken abzuschalten und beobachte stattdessen, wie die Morgensonne langsam die wabernden Geister vertreibt und sie sich in ihrem Licht auflösen. Ich bete darum, dass der neue Tag mir meinen logischen Verstand zurückgibt, aber darauf wetten würde ich nicht.
Mich fröstelt, als eine frische Brise meinen Rock hebt. Ich wünschte, ich könnte ihn mir zwischen die Knöchel klemmen, damit er nicht immer hochweht,
Weitere Kostenlose Bücher