Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
zu.
»Na, was herausgefunden?«, fragte er sie neugierig.
»Allerdings«, meinte sie mit gewichtigem Blick. »Ich habe mir von den jeweiligen Zeitungen die Seiten zufaxen lassen, in denen der Artikel fehlt, und dann das entsprechende Feld rot umrandet. Bitte schön. Außerdem habe ich das jeweilige Datum auf den Rand notiert. Kann ich sonst noch etwas tun?« Sie lächelte freundlich.
»Äh, nein, Sie können sich erst mal wieder um Riemenschneider kümmern … beziehungsweise: Ein Kaffee wäre vielleicht nicht schlecht«, berichtigte er sich noch schnell. Dann griff er sich die Artikel, setzte sich an seinen Schreibtisch und sortierte alles in chronologischer Reihenfolge. Als das am längsten zurückliegende Datum zuoberst lag, machte er sich daran, den rot umrandeten Text näher anzuschauen. Der Redakteur der »Mainpost« in Würzburg berichtete darin von einem Pressetermin im Kilianeum. Der Bischof des Bistums Würzburg hatte mehrere Priester in den Rang eines Domvikars erhoben, die, meist mittleren Alters, auf dem Foto abgebildet waren. Dann wurden die Neuvikare vorgestellt und begründet, warum sie diesen Titel erhielten. Weiter nichts.
Haderlein legte den Artikel auf die Seite und nahm sich den nächsten vom Stapel. Wieder war es die »Mainpost«. Das große Bild zeigte die Verabschiedung eines Dorfpfarrers, bei welcher der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Waldberg in der bayerischen Rhön dem scheidenden Geistlichen die Hand gab. Der junge Priester Kolonat Schleycher wechselte, so war zu lesen, nach seiner Exkardination von der Diözese Würzburg an das erzbischöfliche Knabenseminar, dem Ottonianum nach Bamberg, um dort die Leitung zu übernehmen. Das war’s.
Haderlein überlegte kurz. Kolonat Schleycher … Hatte er den Namen nicht schon mal irgendwann gehört? Aber er konnte ihn nicht zuordnen. Seufzend legte er auch dieses Blatt auf die Seite.
»Hier ist Ihr Kaffee«, hörte er Honeypenny sagen, während sie ihm mit angesäuertem Blick das Heißgetränk reichte.
Um keinen Anranzer zu bekommen, schwieg Haderlein und wandte sich wieder seinen Zeitungen zu.
Der nächste Zeitungsartikel des »Fränkischen Sonntags« in Bamberg beinhaltete kein Bild. Er war nur ein Bericht über die Schüler des Abschlussjahrgangs des Ottonianums von 1974, in dem der »Fränkische Sonntag« freudig feststellte, dass alle Schüler bestanden hatten und der Leiter des Knabeninternats ihnen viel Glück in ihrem weiteren Leben wünschte.
Gott, war das lange her. 1974! Aber warum war das für Rast so interessant gewesen? Was hatte er mit diesem Kolonat Schleycher und dem Ottonianum zu schaffen gehabt?
Kopfschüttelnd ging Haderlein zum nächsten Bericht über. Der Regens des Ottonianums Kolonat Schleycher, konnte der Hauptkommissar lesen, hatte im selben Jahr, nur wenige Tage später, in gegenseitigem Einverständnis die Leitung des erzbischöflichen Knabenseminars in neue Hände gelegt und würde Bamberg verlassen. Der Bamberger Erzbischof hatte ihm zum Dank für seine Leistung eine alte Handschrift aus der Diözesanbibliothek überreicht.
Merkwürdig, dachte Haderlein. Auf dem Foto sahen die beiden aus, als würden sie sich am liebsten gleich gegenseitig vergiften. Schleycher schien keine harmonische Zeit mit seinem Bischof verbracht zu haben.
Der nächste Artikel stammte aus den »Nürnberger Nachrichten«, war aber etliche Jahre später erschienen. Ein großes Bild zeigte den sichtlich gealterten Schleycher, wie er zum Vorsitzenden der unterfränkischen CSU gewählt wurde. Er sah gar nicht mehr nach einem Priester aus, sondern eher wie ein Manager im dunklen Designer-Anzug. Schau mal einer an, dachte Haderlein, da will wohl einer unbedingt Karriere machen.
Die vorletzte Zeitung war die »Coburger Neue Presse«. Ein halbseitiger Bericht wurde durch ein großes Bild in der Mitte ergänzt. Die Überschrift lautete: »Unterfränkischer Staatssekretär wird Umweltminister«. Diesmal war Kolonat Schleycher zusammen mit der kompletten Regierungsmannschaft des neuen Ministerpräsidenten zu sehen. Der Artikel war gerade mal ein Jahr alt. Zu blöd, dass er sich nicht stärker für Politik interessierte. Haderlein schimpfte stumm mit sich selbst. Da hätte er auch wirklich früher draufkommen können. Natürlich, Schleycher war der neue Umweltminister. Sein Konterfei hatte er in der letzten Zeit des Öfteren gesehen. Aber was hatte das alles zu bedeuten? Er legte den Artikel weg und griff sich die letzte Seite.
Überrascht
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