Das Albtraumreich des Edward Moon
an uns.«
»Es wäre mir lieber, Sie würden mich
Neunhundertdrei nennen«, sagte Speight unverblümt.
»Ich ziehe Speight vor.«
»Dann sind wir an einem toten Punkt.«
Der Schlafwandler schrieb etwas auf seine Tafel.
WARUM SIN SIE HIR
»Ich habe zu arbeiten«, antwortete
Speight knapp. »Gegenwärtig ist viel zu tun.«
»Das habe ich schon gehört«, sagte der Detektiv.
»Aber was man mir nicht erklärt hat, ist, warum.«
»Guten Tag, meine Herren. So vergnüglich es ist,
hier zu stehen und sich mit Ihnen zu unterhalten, meine Anwesenheit ist
anderswo erforderlich.«
»Sagen Sie mir, was ihr plant!«
»Geben Sie acht!«, zischte er, und seine glatte
Fassade wurde eine Sekunde lang durch etwas ersetzt, das dem alten Speight
gleichkam. »Eine gewaltige Woge wird über die Stadt hereinbrechen. Gehen Sie
ihr aus dem Weg, Sir, oder Sie werden darin untergehen.« Und damit schritt der
ehemalige Vagabund davon und verschwand in den Tiefen des Gebäudes.
Moon ging hinaus auf die Straße, erfüllt von
Ratlosigkeit über das, was gerade stattgefunden hatte.
UN WAS JETZT
»Zurück zu Ned. Es gibt viele Fragen,
auf die ich eine Antwort brauche. Und danach … Ich nehme an, du hast
nichts dagegen, das Gesetz zu brechen, oder?«
Der Schlafwandler schüttelte den Kopf.
»Nun gut. Dann brechen wir heute Nacht bei
Love
ein.«
Etwas war anders, als sie wieder bei
Ned Loves Einsiedelei eintrafen. Alles sah aus wie zuvor, die Fenster waren
immer noch mit Brettern vernagelt, und alles am Haus war dichtgemacht und
verriegelt – mit einer einzigen Ausnahme: Die Eingangstür stand weit
offen.
»Vielleicht ist er ausgegangen«, bemerkte Moon
wenig überzeugt.
Der Schlafwandler warf ihm einen sarkastischen
Blick zu und schob sich an ihm vorbei ins Haus. Wenn es irgendwo nach Gefahr roch,
dann bestand der Hüne stets darauf, ihr als erster ins Auge zu schauen.
Im Inneren sah auf den ersten Blick alles
unverändert und unberührt aus, doch als sie die Diele durchquerten, wuchs in
Moon die Überzeugung, dass irgendetwas nicht stimmte.
Folglich war keiner der beiden Männer besonders
überrascht, als sie den Toten fanden.
Der arme Ned Love lag, die Whiskyflasche in der
Hand, zusammengesunken an die Wand gelehnt, unnatürlich verkrümmt und hässlich
im Tode. Beim Betreten des Raums hatte Moon so etwas wie ein Rascheln
vernommen, und erst jetzt wurde ihm klar, dass dieses Geräusch wohl vom
Davonhuschen der Ratten und des anderen Ungeziefers stammte, die sich schon
eingefunden hatten, um den Leichnam anzunagen.
»Mister Love?« Moon kauerte sich neben dem Toten
hin. »Ned?« Weil es die Gepflogenheit so wollte, prüfte er den Puls des Mannes.
TOD?
»Ja, leider.«
ERWÜRKT
Moon gab sich Mühe, nicht beeindruckt
zu klingen: »Wie kannst du das feststellen?«
Der Schlafwandler deutete auf die rötlichen
Flecken an der Kehle des Toten.
»Wird in Anbetracht der Menge Schnaps, die er
getrunken hat, nicht schwierig gewesen sein, ihn umzubringen. Offenbar hat er
zu viel geredet.«
LOVE?
»Darauf würde ich wetten.«
Sie ließen den armen Ned dort, wo er lag, und
kehrten nach draußen, ins Freie zurück. »Jetzt reicht es«, entschied Moon, als
sie auf der Straße standen; er klang unverständlicherweise geradezu fröhlich.
»Zeit für die Schlussphase.«
SIEBZEHN
Etwas über eine Stunde nach Ned Loves
Tod erschienen zwei Anzeigen in den Spalten »Persönliches« der Zeitungen
Echo
,
Gazette
,
The Times
und
London Chronicle
(Abendausgaben).
Die erste lautete:
Informationen erbeten
von Personen, die in den Tunneln der Untergrundbahn im Gebiet Eastcheap und
Monument arbeiten oder gearbeitet haben.
Stattliche Belohnung.
Wenden Sie sich persönlich an Mister M.
Hier folgte die Adresse eines berühmten
Stadthotels, die zu zensieren ich mich aus verständlichen Gründen entschlossen
habe.
Die zweite Anzeige – weitaus kürzer und
geheimnisvoller – lautete:
LUD
Sofort kommen!
Viel steht auf dem Spiel!
E.
Leider hatte der Mann, an den sich
diese zweite rätselhafte Botschaft richtete, nie Gelegenheit, sie zu lesen. Zum
Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wurde er gegen seinen Willen auf eine Art und
Weise festgehalten, die vorherzusagen ihm diesmal nicht gelungen war.
Cribb war alleine spazierengegangen, den Kopf
randvoll mit einem Mischmasch aus kunterbunten Gedanken und unausgegorenen
Betrachtungen, als er überrascht bemerkte, dass eine Droschke neben ihm anhielt
und der Kutscher ihn heranwinkte. Cribb spielte
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