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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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in einen öligen Lumpen gehüllt, hinter einer losen
Wandplatte versteckt aufbewahrte.
    »Ein kleiner Blick nur noch«, zischte er, wabernd
vor Erregung, »ein kurzer Hauch von Schönheit.« Er schlug das Kästchen ins Tuch
ein, steckte alles zurück in die Wand und ließ sich zu Boden fallen, erschöpft
von dieser kurzen Anstrengung. Ein Zittern durchlief schauerartig seinen
gepeinigten Körper.
    »Ich denke, Sie sollten wissen, Sir … Moon
und der Schlafwandler …«
    »Ja?« Plötzlich schien Barabbas hellwach und
neugierig; seine geheime Ansammlung von Schönheit war vorübergehend vergessen.
    »Sie arbeiten für Skimpole, Sir. Gezwungen durch
Erpressung, wenn wahr ist, was man so hört. Das Direktorium hat ja einen
entsprechenden Ruf. Und ich fürchte, Sir, er ist schon dicht dran.«
    Der Gefangene lachte auf – es war ein
scharfes, unnatürliches Lachen.
    »Sir? Darf ich zur Vorsicht raten?«
    Barabbas schien in sonderbar ausgelassener
Stimmung. »Das dürfen Sie nicht! Ich glaube, wir können auf einen weiteren
Besuch von Edward zählen. Oder?«
    Owsley antwortete nicht; sein Missfallen war
offensichtlich.
    Der unförmige Mann entblößte grinsend seine halb
verfaulten Zähne. »Und das Wiedersehen wird mir eine wahre Freude sein!«
    Das Hotel, das Skimpole für Moon und
den Schlafwandler bestimmt hatte, wurde allgemein als das vornehmste der Stadt
angesehen und befand sich zweifellos unter den teuersten Häusern. Die
Unterkunft der beiden Männer bestand aus einem kleinen Netzwerk von Räumen, die
in Stil und Ausstattung geradezu übertrieben geschmackvoll wirkten:
Schlafzimmer, Empfangszimmer, Salon, Herrenzimmer – alles prunkvoll und
üppig eingerichtet und weit über alles hinausgehend, was die beiden bisher
kennengelernt hatten. Ein ganz besonderer Duft durchwehte das Gebäude, eine
besänftigende Mischung aus brennenden Kerzen, Bohnerwachs und dem fruchtigen
Nachgeschmack einer wirklich guten Flasche Wein – die alten Gerüche nach
Reichtum und Luxus. Bei ihrer Ankunft erhielt jeder Gast einen persönlichen
Butler zugeteilt, der beflissen daranging, alle seine Wünsche zu erfüllen; die
kleinste Chance, zu verwöhnen oder gefällig sein zu können, versetzte ihn in
wahre Wonneschauer.
    Ihr neues Heim war, kurz gesagt, ein grässlicher
goldener Käfig.
    In den drei Wochen, die seit der Zerstörung des
Theaters des Unglaublichen verstrichen waren, hatte man Moon nur viermal
gestattet, das Hotel zu verlassen – und das ausschließlich in Begleitung
seines Butlers, der, wie verlautete, Mister Skimpole treu ergeben war.
Niedergeschlagen und gedemütigt, fühlte Moon sich so gefangen in diesem
vornehmen Zwinger, dass der Schlafwandler sich langsam Sorgen um den Verstand
seines Freundes machte. So verspürte der Detektiv also eine merkwürdige
Erleichterung, als ihnen am dreiundzwanzigsten Tag des Hausarrests ihr
Plagegeist einen Besuch abstattete.
    Der Albino ließ sich ganz behutsam auf
dem Diwan nieder, griff in die Jackentasche und holte ein erlesenes flaches
Silberkästchen heraus.
    »Zigarre?«
    Die beiden lehnten mit einem verdrießlichen
Kopfschütteln ab.
    »Nun ja.« Nahezu ehrfürchtig wählte Skimpole eine
Zigarre aus und zündete sie an, während ein Ausdruck der Zufriedenheit über
sein Gesicht huschte. »Ich hoffe sehr, dass Sie sich hier wohl fühlen. Was mich
betrifft, so habe ich dieses Haus immer als zauberhaften Rückzugsort
betrachtet.«
    Moon zog die Mundwinkel herab. »Ich werde Ihnen
das nie vergessen!«
    »Ich bitte Sie.« Skimpole entließ dünne Rauchbänder
aus den Nasenlöchern. »Ich bin gekommen, Sie um Hilfe zu bitten. Es tut mir
sehr leid, dass ich nicht früher in der Lage war, Sie zu besuchen, aber die
letzte Zeit war wirklich wahnsinnig hektisch. Sie verstehen zweifellos.«
    Moon und der Schlafwandler schleuderten ihm
hasserfüllte Blicke zu.
    »Also zum Geschäftlichen. Ich bitte inständig um
Vergebung für Ihren erzwungenen Aufenthalt hier. Ich weiß, dass Sie Ihren
außerplanmäßigen Aktivitäten nicht nachkommen konnten, aber wir mussten
sicherstellen, dass Sie sich unserer Vereinbarung nicht entziehen würden.«
    »Was wollen Sie?« Moons Stimme klang mühsam
beherrscht; die drohende Note darin war kaum wahrnehmbar.
    Skimpole füllte die Lunge kräftig mit Rauch.
»Meine Kollegen und ich sind im Besitz von Informationen, die sehr eindeutig
darauf hinweisen, dass eine Verschwörung gegen die Stadt im Gange ist.« Er
sprach ganz unverblümt, sachlich, als

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