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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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furchtbar, was Ihrem Theater
widerfahren ist«, bemerkte Madame Innocenti teilnahmsvoll. »Was für eine
Tragik! Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl.«
    »Ich danke Ihnen, Madam.« Moon verneigte sich, und
beachtlicherweise schien sich bei ihm der Anflug eines Errötens anzudeuten.
    »Señor Corcoran hat von Ihnen gesprochen. Wie ich
höre, kommen Sie im Auftrag Mister Skimpoles.«
    »Ganz richtig.«
    Sie rümpfte geringschätzig die Nase. »Sind Sie
Freunde?«
    »Nicht direkt Freunde, Madam«, antwortete Moon; er
wählte seine Worte mit Bedacht. »Man könnte sagen, wir arbeiten zusammen. Wir
sind sozusagen unfreiwillig Kollegen.«
    »Das freut mich, denn mein Gatte und ich können
ihn nicht ausstehen. Ein schrecklicher Mensch, dieser käseweiße kleine Mann.
Doch jetzt sollten Sie mich entschuldigen, ich muss mich vorbereiten. Sie sind
etwas früh dran, aber auch die anderen Gäste werden in Kürze eintreffen. Es
macht Ihnen doch nichts aus, ein Weilchen zu warten?«
    »Keineswegs.«
    »Wir erwarten heute abend sieben Personen –
Sie, meine Herren, und fünf weitere Gäste. Haben Sie schon einmal an einer
Séance teilgenommen?«
    »Noch nie, Madam.«
    »Nun, für uns alle muss es ein erstes Mal geben«,
sagte Madame Innocenti und wandte sich zum Gehen. »Selbst für Sie, Mister
Moon.«
    Sie schwebte hinaus und ließ die Besucher wieder mit
ihrem Ehemann allein – zusammen mit einem Gefühl plötzlicher Ernüchterung:
so als wäre die Kaiserin aus dem Thronsaal gerauscht, um ihre Untertanen in der
dürftigen Gesellschaft eines bloßen Lakaien stehen zu lassen.
    »Warten Sie hier«, brummte der Gatte mürrisch.
»Ich hole Ihren Tee.«
    Dieser wurde in Begleitung eines Tellers wenig
verlockender staubtrockener Kekse serviert, und während Moon und der
Schlafwandler lustlos ein paar Krümel davon nahmen, trafen die anderen Gäste
ein. Es war eine sonderbare Schar; alle rochen schon von weitem nach Leid und
Verzweiflung und sahen so aus, als wären sie bereit, jeden Preis zu bezahlen,
um in den Genuss von Madame Innocentis Art von Weisheit zu gelangen.
    Als erstes kam ein Ehepaar, Mister und Mrs
Salisbury, beide fest eingebettet in die korpulente Beschaulichkeit des
gesetzten Alters. Gefolgt wurden sie von einer außergewöhnlich hässlichen
jungen Frau, die sich als Dolly Creed vorstellte; ihre schlaffen, farblosen
Gesichtszüge wurden zusätzlich verunstaltet von vier gleich großen braunen
Warzen, die sich um ihr linkes Nasenloch drängten. Nach ihr traf eine Mrs
Erskine ein – vom Alter gekrümmt und auf einen Gehstock gestützt, aber
trotz allem irgendwie leichtfüßig wirkend, bewegte sie sich mit spröder,
flotter Grazie. Der Keksteller war leergegessen und die Teekanne trocken, als
endlich der letzte Gast auftauchte, ein rotblonder, scheuer junger Mann, der
sämtlichen Anwesenden seine Visitkarte überreichte: Mister Ellis Lister,
Bachelor der philosophischen Fakultät (Oxfordshire). Was seinen Beruf betraf,
so wich er dem Thema aus und erklärte nur, dass er in einem Bereich des
Staatsdiensts tätig sei. Moon und der Schlafwandler erkannten ihn jedoch
augenblicklich als einen Mann des Direktoriums.
    Schließlich drückte sich Madame Innocentis Ehemann
wieder in den Salon. »Nehmen Sie Platz. Meine Frau ist da.«
    Gehorsam näherten sich alle den Stühlen, wobei
Moon und der Schlafwandler bedacht waren, zu beiden Seiten des Platzes am
Kopfende des Tisches zu sitzen, der für Madame Innocenti vorgesehen war.
    Angekündigt vom seidigen Rascheln ihres Kleids
betrat die Hellseherin den Raum, noch reizender anzusehen als zuvor, und sonnte
sich in der anbetenden Bewunderung ihrer Kunden. Der Ehemann zog sich in einen
Winkel des Salons zurück, nachdem er die Tür behutsam geschlossen und so den
Raum wiederum ins trübe Licht der Kerzenflammen zurückversetzt hatte.
    »Herzlich willkommen«, sagte Madame Innocenti.
    Taktvoller Applaus, und nach einem anmutigen
Knicks und kurzem, etwas mühsamem Händeschütteln und Wangenküssen rundum nahm
sie Platz am Kopfende des Tisches.
    »Der Tod ist nicht das Ende«, erklärte sie
sachlich. »Unser Lebenslicht wird nicht ausgeblasen mit dem Entschlafen unseres
vergänglichen Leibes. Es gibt eine andere Welt neben unserer eigenen, ein
Reich, das von den Toten bewohnt wird, Daseinsebenen, die von Mächten jenseits
unseres Begriffsvermögens beherrscht werden. Glauben Sie mir, ich weiß es. Ich
weiß, dass die Seele weiterlebt. Ich weiß es, weil ich den Schleier

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