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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Tag – rauchte er eine Zigarre. Es versteht sich von selbst, dass es
sich hierbei nicht um ein herkömmliches Laster handelte, sondern vielmehr um
Zigarren einer exklusiven Marke, hochgeschätzt in der Kennerschaft, die unter
gewaltigen Unkosten aus einer kaum bekannten Gegend der Türkei importiert und
von einem Laden im Stadtzentrum nur wenigen ausgewählten Kunden zu
schwindelerregenden Preisen verkauft wurden.
    Skimpole holte seine Zigarre des Tages hervor und
rieb sie ein wenig unter der Nase; er machte allein schon aus dem Daranriechen
eine große Sache, obwohl er persönlich die Notwendigkeit dieses Geruchsrituals
nie ganz verstanden hatte; er führte es dennoch getreulich durch –
hauptsächlich für den Fall der zufälligen Anwesenheit etwaiger Zigarrenkenner,
die ihn aus der Ferne heimlich beobachteten. Er schob sich die braune Rolle
sanft zwischen die Lippen, spürte, wie sie reibungslos zwischen die Zähne glitt
und stieß einen zufriedenen Seufzer aus.
    Moon und der Schlafwandler saßen ihm gegenüber am
Tresen der Hotelbar und verfolgten die ganze Vorstellung mit Mienen, die
irgendwo zwischen Amüsement und Abneigung angesiedelt waren.
    »Ich bitte um Vergebung«, murmelte der Albino.
»Eine kleine Schwäche.« Er genoss das Gefühl, wie der Rauch durch seine Kehle
strömte, den vollen, trockenen Geschmack, der immer tiefer in seinen Körper
sank, und verspürte dabei ein leichtes, freudiges Erschauern. Die Zigarre war
bereits halb geraucht, als er endlich zur Sache kam. »Das Innocenti-Problem.
Meine Quellen berichten, dass sie und ihr Gatte vor zwei Tagen das Land
verlassen haben, sofort nachdem Sie diesen Aufruhr in ihrem Salon verursacht
hatten. Wir nehmen an, die beiden sind unterwegs nach New York, doch ich
persönlich fürchte, wir haben sie verloren.«
    »Es war nicht meine Schuld«, bemerkte Moon knapp.
»Sie war entlarvt, noch ehe ich etwas tun konnte.«
    Skimpole tupfte sich verlegen die Augenwinkel.
»Ich nehme an, es hat dabei eine gewisse Beteiligung des Sicherheitsausschusses
gegeben.«
    »Ganz recht.«
    »Und was ist Ihre Meinung? Halten Sie ihre
Warnungen für authentisch?«
    »Nun, ich sollte dies eigentlich verneinen und in
der Lage sein, die Frau als Scharlatan und Schwindlerin abzutun. Aber es
bleiben gewisse Fragen. Die Dinge, die ich gesehen habe … der Fliegenmensch …«
    »Ich betrachte mich als einen Mann, der auch dem
Unwahrscheinlichen offen gegenübersteht«, fuhr Skimpole fort. »Dazu kann ich
mir nicht vorstellen, wie unsere Freundin Bagshaw zu jenen Informationen
gekommen sein könnte ohne eine Art – wie soll ich es nennen? –
übernatürlichen Vorteil. Eine Hilfe aus dem Äther.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.«
    Skimpole schnaubte verächtlich. »Darüber hinaus
wäre zu sagen, dass sich der Sicherheitsausschuss nicht des besten Rufes
erfreut. Es wird gemunkelt, dass sich diese Leute ihre Beweise auch liebend
gern selbst fabrizieren, wenn sie auf herkömmliche Weise nicht an welche
herankommen. Erst letztes Jahr haben sie einem höchst begabten Medium, das wir
für fähig halten, echtes Ektoplasma zu erzeugen, feinstes Musselingewebe
untergeschoben, nur um der Bloßstellung willen.«
    »Die Entlarvung dieser Frau steht außer Frage«,
sagte Moon. »Das ist unbestreitbar. Aber ihre Warnungen …
beunruhigen
mich.«
    Skimpole fühlte sich sichtlich unbehaglich auf
seinem Stuhl; er sog heftig am Rest seiner Zigarre, um die letzten kostbaren
Züge daraus hervorzuholen.
    »Sie erklärte mir, man würde mich benutzen«, fuhr
Moon fort. »Sagte etwas über einen Schläfer. Gefahr im Untergrund. Tatsächlich
sagte sie auch, dass Sie, Mister Skimpole, nur eine Schachfigur seien.«
    Der Albino ließ den Stummel der Zigarre in den
Aschenbecher fallen, wo er langsam verglühte. »Ich kenne meinen Stellenwert.«
    »Etwas an der Sache setzt mir zu.«
    »Madame Innocenti?«
    »Da gibt es irgendwo eine Verbindung, die uns
entgeht.«
    »Was haben Sie vor? Sie sollten wissen, dass
Sie – wie auch immer Sie sich entscheiden – die volle Unterstützung
des Direktoriums haben.« Er grinste. »Unsere Behörde ist nicht gänzlich ohne
Einfluss.«
    »Ich muss Barabbas unbedingt noch einmal treffen.
Er weiß etwas, dessen bin ich ganz sicher.«
    »Das lässt sich einrichten.« Skimpole erhob sich.
»Aber beeilen Sie sich. Uns läuft die Zeit davon. Falls Madame Innocenti
wirklich recht hat, dann bleiben uns nur wenige Tage, ehe was auch immer
eintritt. Übrigens wird es Sie

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