Das Albtraumreich des Edward Moon
vielleicht freuen zu hören, dass ich die erste
Einzahlung auf Ihr Bankkonto genehmigt habe.« Hier erwähnte er eine
bemerkenswert großzügige Summe – selbst heutzutage würde bis weit in die
Ränge der höchstbezahlten Staatsdiener keiner eine so stattliche Belohnung
zurückweisen. »Selbstverständlich werden die Kosten Ihres Aufenthalts und alle
anfallenden Spesen von meiner Behörde übernommen. Natürlich können Sie das Geld
nach Gutdünken mit Ihrem Assistenten teilen.«
»Das Geld?«, fauchte Moon verächtlich. »Denken
Sie, ich mache das des Geldes wegen?«
Skimpole starrte ihn verdutzt und gekränkt an.
»Kein Grund für rüde Manieren. Wenn es Sie so sehr stört, dann betrachten Sie
das Geld eben als Gratifikation. Als Geschenk Ihrer dankbaren Regierung.«
Moon sagte nichts darauf.
»Werden Sie rasch tätig. Und halten Sie mich auf
dem laufenden. Sie haben meine ganze Aufmerksamkeit.« Er machte eine formelle
Verbeugung und ging hinaus. Hinter seinem Rücken zog der Schlafwandler eine
kindische Grimasse.
Moon stand auf und durchquerte den Raum bis zu
einer jungen Frau, die dort allein an einem Tisch saß, ein halb geleertes Glas
Rotwein vor sich. Unfähig, seine Verblüffung zu verbergen, sah der
Schlafwandler zu, wie sein Freund vor der jungen Dame stehenblieb, einige Worte
mit ihr wechselte und ihr lächelnd bedeutete, mit ihm zu kommen. Als die beiden
näherkamen, erkannte der Schlafwandler die Fremde als Mrs Erskine wieder, die
Mitarbeiterin des Sicherheitsausschusses – ohne diese Maskierung nunmehr
jedoch bedeutend verjüngt und so gekleidet, wie es einer eleganten Dame ihres
wahren Alters zukam.
»Dies ist mein Freund, der Schlafwandler«,
erklärte Moon, und seine hübsche Begleiterin knickste zur Begrüßung. »Ich
glaube nicht, dass du meine Schwester schon kennst.«
Skimpole verließ das Hotel in
lebhaftem, präzisem Schritt. Obwohl er für ein wichtiges Treffen bereits spät
dran war, zog er es vor, keine Droschke zu nehmen, sondern durch die Straßen
und über die dicht bevölkerten Bürgersteige der Stadt zu eilen, wo er sich blitzschnell
durch die Massen von Fußgängern bewegte und sich an Schwärmen heimischer
Großstädter vorbeidrängte. Spontan würde man annehmen, dass ein
Regierungsbeamter die Richtung nach Whitehall oder Westminster einschlagen
sollte, doch Skimpole lenkte seine Schritte – immer auf der Hut vor einem
möglichen Verfolger – ins East End, nach Limehouse und zum Direktorium.
SCHWESTER?
schrieb der Schlafwandler hastig auf
die Tafel, wischte sie wieder ab und schrieb es erneut, diesmal in größeren,
dramatischeren Buchstaben:
SCHWESTER?
»Dies ist Charlotte«, erklärte Moon.
Miss Moon lächelte so gewinnend wie möglich. »Ich
bin entzückt, Sie kennenzulernen.«
Der Schlafwandler runzelte die Stirn. Er hatte das
eigenartige Gefühl, mitten in einem sorgfältig vorbereiteten Streich zu
stecken, und hoffte, sein Freund und die Fremde würden jeden Moment in
Gelächter ausbrechen, ihm auf die Schulter klopfen und ihm dafür danken, dass
er mitgemacht hatte. Er übte sich in Geduld und wartete auf die Pointe.
»Ist er wirklich stumm?«, fragte Charlotte ein
wenig ungehobelt.
»Er hat jedenfalls noch nie zu mir gesprochen.
Nichtsdestoweniger ist es eine meiner großen Hoffnungen, dass er es eines Tages
tut. Und ich habe keinen Zweifel: Falls es tatsächlich geschieht, wird er uns
alle in Erstaunen setzen.«
Sie ließ den Blick noch einmal über den
Schlafwandler gleiten und schien ziemlich unbeeindruckt. »Nicht so gut
aussehend wie sein Vorgänger.«
»Glaub mir«, sagte Moon, und es klang gequält,
»könntest du seinen Vorgänger jetzt sehen, würdest du nicht mehr so sprechen.«
»Vermutlich nicht.«
»Der Schlafwandler ist ein großartiger
Illusionist.« Moon bemühte sich, nicht gönnerhaft zu klingen. »Hast du je die
Vorstellung besucht?«
»Dreimal«, antwortete Charlotte. »Einmal als alte
Frau, einmal als betrunkener Pole und einmal als Zwerg. Ich gebe zu, letzteres
war eine echte Herausforderung. Es ist kein Spaß, stundenlang so auszusehen,
als wäre man nur halb so groß.« Sie kaute an ihrer Unterlippe und wand sich ein
wenig. »Tut mir leid, was mit dem Theater passiert ist.«
»Skimpole«, sagte Moon, als würde das alles
erklären.
»Er mag dich wirklich nicht, oder?«
Moon sah zur Seite. »Du hast mir nie erzählt, dass
du beim Sicherheitsausschuss arbeitest.«
»Und du hast mir nie erzählt, was in
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