Das Alexandria-Komplott
Pitt. »Er meinte, Venator habe die Artefakte dort vergraben, wo keiner seiner Zeitgenossen auch nur im entferntesten daran denken würde zu suchen.«
Verständnislos sah Yaeger ihn an. »Das könnte überall in der antiken Welt gewesen sein.«
»Oder außerhalb der Welt, die die Römer kannten.«
»Die Kartenaufzeichnungen reichten nicht wesentlich weiter als südlich von Nordafrika oder in östlicher Richtung über das Schwarze Meer und den Persischen Golf hinaus«, erklärte Lily. »Darüber hinaus war nichts erforscht.«
»Das wissen wir nicht«, widersprach Pitt. »Junius Venator hatte Zugang zu allen Schriften, die in viertausend Jahren verfaßt worden waren. Er wußte von der Existenz des afrikanischen Kontinents ebenso wie von den weiten Steppen Rußlands. Er muß vom Handel mit Indien gewußt haben, das wiederum Güter aus China importierte und exportierte. Und er hat mit Sicherheit die Reiseberichte von Seereisen studiert, die weit über die normalen römisch-byzantinischen Handelsrouten hinausreichten.«
»Wir sind sicher, daß die Bibliothek von Alexandria eine ganze Abteilung besaß, die nur der Aufbewahrung geographischer Aufzeichnungen diente«, bestätigte Lily. »Venator hätten also die ursprünglichen Karten zur Verfügung gestanden.«
»Was könnte er wohl entdeckt haben, und was hat ihn beeinflußt?« fragte Sandecker.
»Eine Richtung«, antwortete Pitt vage.
Die Neugierde der Anwesenden konzentrierte sich nun auf Pitt, und er enttäuschte sie nicht. Er ging zur Bühne und nahm einen Scheinwerfer zur Hand, der einen kleinen Pfeil auf die dreidimensionale Projektion warf.
»Die einzige Frage, die mir in den Sinn kommt«, warf Giordino ein, »ist die, ob die Flotte Kurs nach Süden oder nach Norden nahm.«
»In keine der beiden Richtungen.« Pitt bewegte den Lichtpfeil durch die Straße von Gibraltar hindurch, quer über den Atlantik. »Venator fuhr nach Westen, nach Amerika.«
Seine Feststellung wurde mit verblüffter Ungläubigkeit zur Kenntnis genommen.
»Es gibt keinerlei archäologische Beweise, die eine Kontaktaufnahme zu Nord- oder Südamerika in vorkolumbianischer Zeit stützen«, erklärte Lily fest.
»Die Serapis könnte einen recht guten Anhaltspunkt bieten, daß man eine solche Reise unternommen haben könnte«, behauptete Sandecker vorsichtig.
»Man weiß wirklich nichts Genaues«, bestätigte Pitt. »Aber in der Kultur und der Kunst der Mayas gibt es zu viele Hinweise auf europäischen Einfluß, als daß man sie ignorieren könnte. Das Amerika der Antike war möglicherweise gar nicht so vollkommen von Europa und Asien isoliert, wie wir bis jetzt immer angenommen haben.«
»Ehrlich gesagt, ich halte das auch für möglich«, nickte Yaeger, und seine Begeisterung stellte sich wieder ein. »Ich wette meine Platten Sammlung von Willie Nelson, daß Phönizier, Ägypter, Griechen, Römer und Wikinger allesamt vor Columbus auf nord- und südamerikanischem Boden gelandet sind.«
»Kein Archäologe, der sich selbst ernst nimmt, würde ihnen recht geben«, sagte Lily.
Giordino grinste sie an. »Nur, weil sie ihre wertvolle Reputation nicht aufs Spiel setzen wollen.«
Sandecker warf Yaeger einen Blick zu. »Dann wollen wir das Projekt mal von einer anderen Seite anpacken.«
Yaeger sah Pitt an. »Welche Küstenlinie soll ich überprüfen?«
Pitt strich sich übers Kinn. Er merkte, daß er dringend eine Rasur nötig hatte. »Fangen Sie mit dem Fjord in Grönland an und arbeiten Sie sich dann in südlicher Richtung bis nach Panama vor.« Er hielt inne und starrte gedankenverloren auf die Kartenprojektion. »An dieser Küste muß es irgendwo sein.«
37
C aptain Oliver Collins klopfte mit dem Handknöchel gegen das Brückenbarometer. Er warf einen schnellen Blick auf die im Licht der Küste kaum sichtbare Nadel und stieß, als die Anzeige gutes Wetter verhieß, einen leisen Fluch aus. Wenn nur ein Sturm aufkäme, dachte er, dann könnte das Schiff auf keinen Fall den Hafen verlassen. Captain Collins war ein erstklassiger Seemann, aber kein guter Kenner der menschlichen Psyche.
Suleiman Aziz Ammar wäre auch mitten in einem Hurrikan mit Windgeschwindigkeiten von neunzig Knoten in See gestochen. Er hockte auf dem Kapitänsstuhl hinter den Brückenfenstern und wischte sich den Schweiß vom Hals, der von seinem Kinn herabgetropft war.
In diesem feuchtwarmen Klima war die Maske eine Tortur, ebenso wie die Handschuhe, die er ständig trug. Stoisch ertrug er diese Widrigkeiten. Wenn
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