Das Alexandria-Komplott
die Arme um den Hals. Er zuckte zusammen und stöhnte leise auf. Sie sprang erschrocken zurück.
»Oh, entschuldige, tut mir leid.«
Pitt hielt sie fest. »Das braucht es nicht.« Er küßte sie leidenschaftlich. Sein Bart kratzte, und er roch nach Alkohol – und ganz erfreulich männlich.
»Männer, die in der Woche nur einmal nach Hause kommen, haben einiges für sich«, meinte sie.
»Und Frauen, die darauf warten, auch«, sagte er und trat zurück. Er blickte sich um. »Was habt ihr, Hiram und du, seit meiner Abreise herausgefunden?«
»Das soll Hiram dir erzählen«, gab sie leichthin zurück, nahm ihn bei der Hand und zog ihn zu den Computern.
Yaeger kam aus seinem Büro geschossen. Ohne ein Wort der Begrüßung zu verlieren oder Pitts Verletzungen zu erwähnen, kam er gleich zum Wesentlichen.
»Wir haben es gefunden!« rief er stolz aus.
»Den Fluß?« fragte Pitt gespannt.
»Nicht nur den Fluß, ich weiß, wo sich – innerhalb von zwei Quadratmeilen – die Höhle der Artefakte befindet.«
»Wo?«
»In Texas. In der Nähe eines kleinen Grenzstädtchens namens Roma.«
Yaegers Gesicht trug den selbstzufriedenen Ausdruck eines satten Säuglings. »Wurde nach sieben Hügeln benannt, genau wie die Hauptstadt Italiens. Ziemlich niedrige, unbedeutende Hügel, das gebe ich allerdings zu. Aber es gibt auch Berichte, denen zufolge in dieser Gegend römische Artefakte ausgegraben wurden. Natürlich haben die anerkannten Archäologen allesamt ihre Herkunft bestritten, aber was haben die schon für eine Ahnung?«
»Dann ist der Fluß –«
»Der Rio Bravo, wie er auf spanisch heißt.« Yaeger nickte. »Auf unserer Seite ist er als Rio Grande bekannt.«
»Der Rio Grande.« Pitt wiederholte langsam die Worte und ließ jede Silbe auf der Zunge zergehen. Er hatte Mühe, diese Tatsache nach den vielen vergeblichen Hinweisen, Vermutungen und Spekulationen, die in Sackgassen gemündet hatten, zu akzeptieren.
»Das ist wirklich eine Schande«, sagte Yaeger plötzlich niedergeschlagen.
Pitt warf ihm einen leicht erstaunten Blick zu. »Was wollen Sie damit sagen?«
Yaeger schüttelte den Kopf. »Weil es mit den Texanern, sobald die spitzkriegen, worauf sie in den vergangenen sechzehn Jahrhunderten gehockt haben, überhaupt nicht mehr auszuhalten sein wird.«
65
A m Mittag des folgenden Tages, nach der Landung auf der Corpus Christi Naval Air Station, wurden Pitt und Lily, zusammen mit Admiral Sandecker, von einem Obermaat zur Meeresforschungsstation der NUMA in der Bucht gefahren. Sandecker befahl dem Fahrer, neben einem Helikopter, der auf einem betonierten Landeplatz in der Nähe eines langgestreckten Docks stand, zu halten. Der Himmel war wolkenlos, nur die Sonne zog ihre Bahn. Die Temperatur war mild, aber die Luftfeuchtigkeit so hoch, daß sie schwitzten, sobald sie ausgestiegen waren.
Herb Garza, der Chefgeologe der NUMA, winkte ihnen freundlich zu und kam herbei. Er war klein, dicklich, braungebrannt, hatte ein paar Pockennarben auf den Wangen und glänzendes schwarzes Haar. Garza trug eine Baseballkappe der California Angels und ein fluoreszierendes orangefarbenes Hemd, das so entsetzlich schillerte, daß Pitt es selbst dann noch vor Augen hatte, nachdem er sie einen Moment lang zugekniffen hatte.
»Dr. Garza«, begrüßte ihn Sandecker höflich. »Schön, Sie wiederzusehen.«
»Ich habe mich auf Ihre Ankunft gefreut«, gab Garza warmherzig zurück. »Wir können starten, sobald Sie an Bord sind.« Er drehte sich um und stellte ihnen Joe Mifflin, den Piloten, vor. Mifflin trug eine dunkle Sonnenbrille und machte auf Pitt den Eindruck, als könne ihn absolut nichts erschüttern.
Pitt und Garza hatten früher einmal bei einem Projekt an der öden südafrikanischen Westküste zusammengearbeitet. »Wie lange ist es her, Herb?« fragte Pitt. »Drei, vier Jahre?«
»Was macht das schon?« erwiderte Garza mit breitem Lächeln. Sie schüttelten sich die Hände. »Freut mich, wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
»Darf ich Ihnen Dr. Lily Sharp vorstellen?«
Garza verbeugte sich höflich. »Eine der Meereswissenschaftlerinnen?« erkundigte er sich.
Lily schüttelte den Kopf. »Landarchäologin.«
Garza wandte sich um und sah Sandecker neugierig an. »Dann handelt es sich nicht um ein Meeresprojekt, Admiral?«
»Nein, tut mir leid, daß Sie noch nicht bis ins einzelne informiert wurden, Herb. Ich fürchte, daß wir das eigentliche Anliegen unseres Vorhabens noch ein wenig länger geheimhalten
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