Das Alexandria-Komplott
das Gefühl, die Befehle, die Schmerzensschreie, das Krachen der Waffen zu hören. Ihm war, als sei er an diesem schicksalsträchtigen Tag vor so langer Zeit selbst dabeigewesen. Als Lily Trinity weiter befragte, kehrte er in die Gegenwart zurück.
»Komisch, daß Sie keine Knochen auf dem Schlachtfeld gefunden haben.«
»Frühe spanische Seeleute, die an der texanischen Golfküste Schiffbruch erlitten hatten und sich über Veracruz nach Mexico City durchschlagen konnten«, antwortete ihr Garza, »haben von Indianern berichtet, die Kannibalen waren.«
Lily verzog angewidert das Gesicht. »Man kann aber nicht sicher wissen, ob die Toten aufgegessen wurden.«
»Vielleicht ein paar«, vermutete Garza. »Und das, was nicht von den Hunden des Stammes oder den wilden Tieren fortgeschleppt wurde, ist später von Venator begraben worden. Alles, was nicht gefunden wurde, ist zu Staub zerfallen.«
»Herb hat recht«, sagte Pitt, »jeder Knochen, der auf der Erdoberfläche blieb, ist mit der Zeit zerfallen.«
Lily wurde ganz still. Sie warf einen beinahe beschwörenden Blick zum nahen Kamm des Gongora Hill. »Ich kann immer noch nicht glauben, daß wir nur ein paar Meter vom Schatz entfernt stehen.«
Eine andächtige Stille schien sich für einen Moment über sie zu senken. Dann sprach Pitt schließlich die Gedanken der übrigen laut aus.
»Eine Menge tapfere Männer sind hier vor sechzehn Jahrhunderten gestorben, um das Wissen ihrer Zeit zu retten«, sagte er leise, und seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit. »Ich glaube, es ist an der Zeit, daß wir dieses Wissen freilegen.«
67
A m nächsten Morgen wurde Admiral Sandecker am Gittertor von Wachen des Secret Service abgefertigt. Er fuhr die Straße entlang, die zum versteckt liegenden Wochenendhaus des Präsidenten am Lake of the Ozarks in Missouri führte, in der Auffahrt parkte er seinen Mietwagen und nahm seine Aktentasche aus dem Kofferraum. Eine frische Brise wehte, und das fand er nach der Waschküche am Rio Grande belebend.
Der Präsident kam in einer warmen Lammfelljacke die Stufen von der Veranda herunter und begrüßte ihn. »Admiral, vielen Dank, daß Sie kommen konnten.«
»Bin lieber hier als in Washington.«
»Wie war ihre Reise?«
»Die meiste Zeit über habe ich geschlafen.«
»Tut mir leid, daß ich Sie in dieser verrückten Eile hierherkommen lassen mußte.«
»Ich bin mir der Dringlichkeit vollkommen bewußt.«
Der Präsident legte eine Hand auf Sandeckers Rücken und schob ihn die Stufen hoch, auf die Tür des Landhauses zu. »Kommen Sie rein, und frühstücken Sie erst mal. Dale Nichols, Julius Schiller und Senator Pitt schlagen sich schon den Bauch mit Rührei und geräuchertem Schinken voll.«
»Die Denkfabrik ist versammelt. Ich verstehe«, meinte Sandecker mit verstohlenem Lächeln.
»Wir haben die halbe Nacht damit verbracht, die politischen Implikationen, die mit Ihrem Fund verbunden sind, zu diskutieren.«
»Persönlich kann ich Ihnen kaum mehr sagen, als bereits in dem Bericht stand, den ich Ihnen durch den Kurier geschickt habe.«
»Wenn man davon absieht, daß Sie es abgelehnt haben, ein Diagramm der Stelle beizufügen, an der zu graben Sie beabsichtigen.«
»Dazu bin ich nicht mehr gekommen«, erklärte Sandecker standhaft.
Der Präsident ließ sich von Sandeckers kratzbürstiger Art nicht aus der Ruhe bringen. »Sie können's ja während des Frühstücks herumgehen lassen.«
Die Unterhaltung wurde für einen Moment unterbrochen, als der Präsident ihn durch die hölzerne Eingangstür geleitete. Sie gingen durch ein gemütliches Wohnzimmer, das modern eingerichtet war und in dem kaum etwas an eine Jagdhütte erinnerte. In einem riesigen Kamin, den man aus Findlingen gebaut hatte, prasselte ein Feuer. Sie kamen ins Eßzimmer, wo Schiller und Nichols aufstanden und ihn begrüßten. Senator Pitt winkte ihm nur zu.
Aufgrund ihrer engen Beziehung zu Dirk waren der Senator und der Admiral alte Freunde. Im ernsten Ausdruck des Älteren bemerkte Sandecker den Anflug einer Warnung.
Ein weiterer Mann, den der Präsident nicht erwähnt hatte, war ebenfalls anwesend – Harold Wismer, ein alter Freund und Berater des Präsidenten, der enormen Einfluß genoß, jedoch nicht zum Stab des Weißen Hauses gehörte. Sandecker fragte sich, aus welchem Grund der Mann hier war.
Der Präsident zog einen Stuhl heran. »Nehmen Sie Platz, Admiral. Wie möchten Sie Ihre Eier?«
Sandecker schüttelte den Kopf. »Eine Schale mit
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