Das Alexandria-Komplott
Postangestellte nickte und legte das Paket auf den Boden. »Kann den Inhalt mit dem Röntgengerät nicht identifizieren.«
Sweetpea war ein Mischling, das Resultat einer kurzen Affäre zwischen einem Beagle und einem Dackel. Riesige braune Augen, ein fetter kleiner Körper, der von kurzen, spindeldürren Beinen getragen wurde. Sweetpea war darauf abgerichtet, jeden Sprengstoff zu erschnüffeln – ob handelsüblich oder außergewöhnlich. Die beiden Männer sahen zu, wie die Hündin um das Paket watschelte und wie eine dicke Matrone an der Parfümtheke ihre Nase krauszog.
Plötzlich blieb sie stocksteif stehen, die Haare im Nacken und auf dem Rücken wurden zur Bürste, und sie wich zurück. Ihr Gesicht verzog sich zu einem seltsamen Ausdruck mißtrauischen Unbehagens, dann fing sie an zu knurren.
Der Beamte wirkte überrascht. »Ihre normale Reaktion ist das nicht.«
»Da ist irgend etwas Komisches drin«, stellte der Postangestellte fest.
»An wen ist das Paket denn adressiert?«
»An den Präsidenten.«
Der Beamte trat beiseite und wählte eine Nummer. »Besser, wir holen Jim Gerhart hierher.«
Gerhart, ein Special Agent, der für die Sicherheitsmaßnahmen im Weißen Haus zuständig war, die den Präsidenten unmittelbar betrafen, nahm den Anruf während eines kurzen Mittagessens an seinem Schreibtisch entgegen und kam sofort in den Postraum.
Er beobachtete die Reaktion des Hundes und beäugte das Paket unter dem Fluoroskop. »Ich kann keinerlei Drähte oder Zündmechanismen erkennen«, erklärte er in seiner langgezogenen Georgia-Sprechweise.
»Keine Bombe«, gab ihm der Postangestellte recht.
»Okay, dann wollen wir's mal aufmachen.«
Die rote Seidenverpackung wurde vorsichtig entfernt, und ein Attaché-Koffer aus schwarzem Leder kam zum Vorschein. Er trug keine Bezeichnung, nicht einmal den Namen des Herstellers oder eine Modellnummer. Statt eines Zahlenschlosses wiesen beide Laschen Schlüssellöcher auf.
Gerhart griff nach beiden Laschen gleichzeitig. Sie schnappten auf.
»Der Moment der Wahrheit«, murmelte er mit vorsichtigem Grinsen. Er legte die Hände an beide Ecken des Deckels und hob ihn langsam an, bis der Koffer offenstand und der Inhalt zu sehen war.
»Mein Gott!« keuchte Gerhart.
Das Gesicht des Sicherheitsbeamten wurde kreidebleich, und er wandte sich ab. Der Postangestellte würgte und torkelte auf den Waschraum zu.
Gerhart schlug den Deckel zu. »Bringen Sie das hier zum George Washington University Hospital hinüber.«
Der Sicherheitsbeamte konnte nicht antworten, bevor er nicht den widerwärtigen Brocken, der ihm in die Kehle gestiegen war, wieder runtergeschluckt hatte. Schließlich keuchte er: »Ist das Ding da echt, oder ist es so etwas wie ein Halloween-Scherz?«
»Das ist echt«, gab Gerhart grimmig zurück. »Und glauben Sie mir, ein Scherz ist das ganz und gar nicht.«
In seinem Büro im Weißen Haus lehnte sich Dale Nichols in seinem Drehsessel zurück und rückte seine Lesebrille zurecht. Zum zehntenmal ging er den Inhalt der umfangreichen Akte durch, die ihm von Armando Lopez, dem Leiter des Präsidialbüros für lateinamerikanische Angelegenheiten, übermittelt worden war.
Nichols hatte das typische Aussehen eines Professors – und er hatte auch einen Lehrstuhl inne, als der Präsident ihn überredete, seinen ruhigen Hörsaal in Stanford mit dem politischen Hexenkessel in Washington zu vertauschen. Sein anfängliches Zögern hatte sich in Erstaunen verwandelt, als er entdeckte, daß er ein verborgenes Talent besaß, die Bürokratie des Weißen Hauses auf Trab zu bringen.
Sein volles, kaffeebraunes Haar war ordentlich in der Mitte gescheitelt. Die altmodische Brille mit runden Gläsern und Drahtgestell unterstrich sein ruhiges Temperament –, sein Charakter zeichnete sich durch Beständigkeit aus, und Nichols ließ sich tatsächlich durch nichts von seiner augenblicklichen Aufgabe ablenken. Natürlich wäre seine Persönlichkeit ohne die akademischen Klischees ›Fliege und Pfeife‹ undenkbar.
Während er sich seine Pfeife anzündete, schweifte der Blick keinen Augenblick von den Ausschnitten aus mexikanischen Zeitungen und Magazinen ab, die sich nur mit einem Thema beschäftigten.
Topiltzin.
Beigefügt waren auch Interviews, die der charismatische Messias offiziellen Besuchern, die zentral- und südamerikanische Länder repräsentierten, gewährt hatte. Andererseits hatte es der Mann abgelehnt, sich mit amerikanischen Journalisten oder
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