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Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Titel: Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Valoppi
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sich von einem Leben voll Verbrechen und Drogen abgewandt hatten, weil sie Gott für sich entdeckt hatten.
    Justin wollte ihre Kirche eines Tages besuchen. Im Lauf der Jahre hatten sie oft darüber geredet, aber er hatte sich noch nie dazu aufgerafft, es in die Tat umzusetzen. Jedenfalls hörte sich ihre Kirche eindeutig interessanter an als die typischen katholischen und protestantischen Gotteshäuser, vor denen die Upper East Side strotzte. In Erbies Kirche tanzten die Menschen und sangen und taten, wozu immer der Heilige Geist sie bewegte.
    »Lass das bitte dort liegen, Erbie«, sagte er, als sie die Lernunterlagen auf der Kommode berührte.
    »Keine Bange, ich räume es nicht weg, ich mache nur darunter sauber.«
    »Du brauchst mein Zimmer heute nicht zu putzen. Ich mache ja doch nur wieder Unordnung.«
    »Meine Aufgabe besteht darin, jeden Tag diese Wohnung zu putzen – nicht diese Wohnung ausgenommen dein Zimmer.«
    »Aber ich sage dir doch, heute kannst du es lassen.«
    »Und ich sage dir, dass es meine Aufgabe ist. Glaubst du, deine Mutter würde heute im Studio darauf verzichten, ihren Gästen Fragen zu stellen, weil irgendein Lahmarsch aus dem Publikum ihr sagt, sie bräuchte nicht so hart zu arbeiten?«
    »Ach, jetzt bin ich ein Lahmarsch aus dem Publikum?«
    »Na ja, ich habe zumindest gedacht, du würdest ein paar Tage lahmarschig herumhumpeln, aber du scheinst keine Probleme beim Gehen zu haben«, erwiderte Erbie.
    »Es war nur eine kleine Verstauchung.«
    »Deine Mutter hat etwas anderes gesagt. Wie auch immer. Weißt du, ich bin stolz auf meine Arbeit. Faulheit macht auf mehr als eine Weise arm. Der Herr will, dass wir mit Freude arbeiten und gut in dem sind, was wir tun.«
    »Und das bist du, Erbie. Das kann niemand bestreiten.«
    Erbie kannte die Bibel fast in- und auswendig. Da Oma ihn nun gebeten hatte, ihre Bibel zu lesen, und es womöglich ihr letzter Wunsch sein würde, musste er mehr über Religion erfahren. »Was tut sich eigentlich in letzter Zeit in der Kirche? Irgendwas Interessantes?«, erkundigte sich Justin halb im Scherz.
    »Alle reden über diese Frau mit der Statue der Jungfrau Maria, die echte Tränen weint. Sie lebt gleich in meiner Nachbarschaft.«
    »Glaubst du das?«
    »Na, und ob«, antwortete sie. »Ein Mitglied meiner Kirchgemeinde hat in Zungen gesprochen und gesagt, dass die Jungfrau weint, sei eine Warnung.«
    »Wovor?«
    »Er sagt, der Teufel sei auf der Welt am Werk, und dann verliert der Mann das Bewusstsein. Das läuft jeden Tag gleich ab. Mittlerweile weiß man es wenigstens schon, sodass man ihn auffangen kann, wenn er zusammenbricht.«
    »Was bedeutet das – in Zungen reden?«
    »Das ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Es bedeutet, dass der Heilige Geist durch dich direkt mit Gott spricht. Der Heilige Geist weiß, wofür zu beten ist, auch wenn wir es nicht wissen.«
    »Kann ich auch in Zungen reden?«
    »Na ja, darum muss man bitten. Obwohl ich manchmal glaube, dass du bereits eine Gabe besitzt, aber wahrscheinlich eine andere.«
    »Was meinst du damit?«
    »Oh, ist nur so ein Gefühl. Ich habe es schon, seit du noch Windeln getragen hast. Du hast oft auf dem Wickeltisch gelegen, an die Decke gestarrt und gelacht und gelacht, als hätte jemand mit dir gespielt. Manchmal bist du in deinem Laufstall gesessen und hast gesungen und Kauderwelsch geredet, als wären deine Mama oder ich bei dir. Ich habe nie herausgefunden, was dabei deine Aufmerksamkeit gefesselt hat, aber ich vermute, du hattest einen Engel bei dir.«
    »Einen Engel?«
    »In der Bibel steht, dass Gott jedem Engel schickt. Aber die Engel von Kindern sind etwas Besonderes, weil sie das Antlitz Gottes jeden Tag sehen. Wer weiß, vielleicht warst du schon immer vom Heiligen Geist gesegnet.«
    »Was gibt es denn sonst noch für Gaben?«
    »Tja, mal sehen ... zum Beispiel Heiler ...«
    »Du meinst, es gibt Leute, die andere wirklich heilen können?«, hakte Justin nach.
    »Selbstverständlich. Weißt du nicht, dass Jesus den Leuten die Hand aufgelegt und sie geheilt hat? Und jetzt wirkt der Heilige Geist durch andere Gläubige, um Menschen zu heilen. Das wird sogar in meiner Kirche gemacht. Wenn jemand krank ist, beten wir und legen ihm die Hände auf. Weißt du, nicht jeder hat eine Krankenversicherung, und wenn man keine hat, sind Krankenhäuser nicht der beste Ort ... Eigentlich sind sie nie ein guter Ort, nicht einmal mit einer Krankenversicherung.«

31
    »Hi, Mom. Tut mir leid, dass ich spät dran

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