Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
Geheimnis, du darfst also niemandem davon erzählen.«
33
Helene betrat Justins Zimmer. »Wie geht’s deinem Knöchel?«
»Gut.«
»Ich bin wirklich nicht sicher, ob du heute Abend ausgehen solltest. Vielleicht bleibst du besser hier und ruhst dich aus«, meinte sie.
»Mom, alles bestens. Wir gehen nach dem Abendessen zu einer Party.«
»Kannst du nicht einfach zu Hause bleiben und dir mit hochgelagertem Fuß einen Film ansehen? Wie ich höre, hast du jedes der Menschheit bekannte Programm abonniert.«
»Ach komm«, bezirzte er sie. »Wir haben wirklich hart gearbeitet und brauchen eine Pause.«
Sie wandte sich Madeline zu. »Woran arbeitet ihr denn?«
»Wir sind Partner bei einem großen Mathematikprojekt«, antwortete Madeline.
»Schön. Hat heute jemand die Nachrichten gesehen?«, fragte Helene und griff nach der Fernbedienung auf Justins Kommode. Justin schüttelte den Kopf. Helene schaltete die Programme durch, bis sie fand, wonach sie suchte.
Die Miene des Nachrichtensprechers war verkniffen. In einer Einblendung über seiner Schulter befand sich das Foto eines vornehm wirkenden Mannes. Darunter stand in blutroten Buchstaben der Text ›Verschreibung für Mord‹. »Wie wir erfahren haben, rätseln die Behörden nach wie vor, wie der oder die Mörder in Claibornes Wohnung gelangen konnten. Derzeit konzentrieren sich die Ermittlungen auf Personen, die am Tag der Tat im oder am Gebäude gearbeitet haben«, sagte der Sprecher. Die Einblendung wechselte zu Videomaterial über Polizeiaktivitäten vor dem Wohngebäude des Opfers in der Park Avenue.
»Das ist doch gleich die Straße runter von hier, oder?«, fragte Madeline.
Helene drehte leiser. »Ja, ist es«, bestätigte sie. »Und siehst du den Mann da, der ins Haus geht?« Sie deutete auf den Bildschirm. »Er kommt heute zum Abendessen.«
»Ist das ein Polizist?«, wollte Madeline wissen.
»Das war er früher. Jetzt arbeitet er als Sicherheitsexperte.«
»Glauben Sie, es handelt sich um einen Serienmörder?«
»Ich hoffe nicht. Trotzdem ist es ziemlich unheimlich, wenn ein Mord in so unmittelbarer Nähe passiert. Und anscheinend hat die Polizei noch keine Ahnung, was das Motiv war. Ich will nicht paranoid erscheinen, aber der Pförtner soll euch direkt in ein Taxi setzen, wenn ihr heute Abend aufbrecht. Und auf dem Rückweg von der Party nehmt ihr euch wieder sofort ein Taxi. Wisst ihr, Mörder neigen dazu, an den Tatort zurückzukehren. Wir können gar nicht vorsichtig genug sein.«
»Da haben Sie wohl Recht. Meine Eltern sind heute nach Frankreich abgereist, also bin ich auch noch alleine mit dem Kindermädchen. Die Frau nervt und ist völlig überflüssig.«
»Du bist mit einem Kindermädchen allein?«, hakte Justin nach.
»Ja. Wahrscheinlich sind Mom und Dad gerade am Flughafen. Sie sind unterwegs zu einer Hochzeit in Paris.«
»Hört sich nicht besonders lustig für dich an«, sagte Helene. »Soll ich deine Mutter fragen, ob du bei uns bleiben darfst, bis sie zurückkommen? Ich glaube, ich würde mich so besser fühlen, und deine Mutter wahrscheinlich auch.«
Madeline spähte zu Justin.
»Sicher, Madeline, das wäre super«, sagte er.
Helene ergriff wieder das Wort. »Ich denke, du bist ein sehr guter Einfluss für Justin, und, na ja, du gehörst ja praktisch zur Familie.« Womit sie betonen wollte, dass die beiden einander wie Bruder und Schwester betrachten sollten.
»Ja, das wäre wirklich toll«, sagte Madeline.
»Ich versuche gleich, ob ich deine Mutter noch am Handy erreiche«, sagte Helene. »Ach, und Justin – hier. Das hätte ich fast vergessen.« Sie holte die Bibel aus der Handtasche hervor und reichte sie ihm. »Ist das die Bibel, die Oma dir gegeben hat?«
»Ja, danke, Mom.« Röte stieg Justin in die Wangen.
»Cool. Die sieht richtig alt aus«, sagte Madeline.
»Meine Großmutter hat sie von ihrem Freund. Sie will, dass ich sie lese.«
»Ja, und das ist auch in Ordnung«, warf Helene ein, »aber zuerst liest du amerikanische Geschichte.«
»Entschuldige, Mutter«, gab Justin trotzig zurück. »Ich kann lesen, was ich will.«
»Sicher. Am Ende erzählst du mir noch, dass du Battle Ultimo aufgibst, um die Bibel zu lesen.«
34
Justin stöhnte. »Es nervt total, wenn sie so etwas macht.«
»Sie ist deine Mutter, sie muss dich nerven«, beschwichtigte Madeline.
»Wieso glaubt sie ständig, besser zu wissen, was ich tun soll, als ich?«
»Na ja, wahrscheinlich hat sie sogar Recht, Justin. Hast du wirklich vor,
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