Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
fehlt mir, dich in den Armen zu halten.«
Robert schenkte Wein ein, und alle nahmen am Tisch Platz.
»Gott sei Dank hat man diesen Mörder gefasst«, wechselte Madeline das Thema. »Es wird überall davon geredet.«
Robert lächelte.
»Ich glaube, Robert ist nicht überzeugt davon, dass man den Richtigen hat«, meinte Helene.
»Er ist nicht skrupellos genug, um der Mörder zu sein.«
»Ach, hör doch auf«, entgegnete Helene. »Handfeste Psychopathen machen nie einen skrupellosen Eindruck, sonst könnten sie den Mist nicht abziehen, den sie treiben. Anscheinend muss man bieder aussehen, um an Opfer zu kommen. Jedenfalls sind viele der übelsten Verbrecher Durchschnittstypen, die unter dem Radar durchsegeln.«
»Da hast du grundsätzlich schon Recht«, räumte Robert ein. »Das Böse hat kein offenkundiges Gesicht, aber in diesem Fall hätte ich eher einen Typen wie Charles Manson erwartet – jemanden, der etwas Böses ausstrahlt. Das Einzige, was dieser Bursche ausstrahlt, ist Angst. Mein Gefühl sagt mir, dass er ohne Weiteres jemanden ausrauben oder ein Auto stehlen würde, nicht aber, jemanden umbringen und dann noch obendrein sämtliche Wertgegenstände zurücklassen.«
»Ein Psychopath hat kein Gewissen«, hielt Helene dem entgegen. »Deshalb lügen Psychopathen auch so überzeugend – sie kennen keine Schuldgefühle oder Reue. Vielleicht hat dieser Typ in Wirklichkeit gar keine Angst, sondern spielt dir etwas vor, um dich zum Narren zu halten.«
Claire kam ins Zimmer. »Ich bin hungrig«, verkündete sie laut und setzte sich an den Tisch.
»Mom, mit dir wollte ich unbedingt reden. Was hat Dr. Cohen heute gesagt?«
»Er ist ein Arschloch.«
»Mutter! Eine solche Ausdruckswiese ist nicht nötig.«
»Helene, die Kinder hören jeden Tag Schlimmeres. Außerdem ist es die treffendste Beschreibung.«
Stille setzte ein.
Claire stopfte sich gleichgültig eine Gabel Käsekuchen in den Mund.
»Also, wirst du uns jetzt verraten, was er gesagt hat oder nicht?«
»Er sagte, er könne auf den Röntgenaufnahmen keine Anzeichen für Krebs feststellen, deshalb hat er mich zu einer weiteren Tomografie geschickt. Er wartet noch auf die Ergebnisse. Die Röntgenaufnahmen sähen ziemlich gut aus, meinte er, aber er wolle nicht, dass ich mir falsche Hoffnungen mache, weil eine Remission lediglich bedeute, dass die Geschwüre zu klein sind, um sie zu erkennen. Außerdem sei er sicher, dass die Tomografie etwas anderes ergeben wird. So oder so, es geht mir besser, als er erwartet hätte.«
»Das sind doch großartige Neuigkeiten, Oma!«, rief Justin.
»Es stinkt mir, dass er sich weigert zuzugeben, dass ich geheilt bin. Beschissene Ärzte. Wenn sie es sich nicht selbst auf die Fahnen heften können, wollen sie nichts davon hören, genau, wie Dr. Viviee gesagt hat.«
»Dr. Cohen ist bloß vorsichtig, Mutter. Er ist ein wunderbarer Arzt und will nur nicht, dass du dir Hoffnungen machst und am Ende enttäuscht wirst. Lass uns abwarten, was die Tomografie ergibt.«
»Du verstehst es wohl nicht, Helene, was? Ich bin geheilt. Aber glaub doch, was du willst.«
Robert schaute verwirrt drein, stellte jedoch keine Fragen.
Madeline stupste Justin. »Der Ring«, flüsterte sie. »Zeig ihr den Ring, den du im Schrank gefunden hast.«
»Oh, richtig.« Justin stützte sich am Tisch ab, um aufzustehen und in seine Hosentasche zu greifen. Er holte den Ring hervor und hielt ihn Claire hin. »Wo hast du Max’ Ring gefunden?«, fragte er. »Er wird sich wahnsinnig freuen. Wahrscheinlich ist er schon ganz verzweifelt, weil er ihn verloren hat.«
»Wovon redest du?«, gab Claire zurück.
»Na, von dem Ring. Er ist aus der Tasche deiner Jacke gefallen. Er gehört Max, dem Pförtner. Der Ring bedeutet ihm sehr viel, weil er ihn an seine Frau erinnert. Sie ist unlängst gestorben, und das war früher ihr Ring. Du hast ihn doch gefunden, oder?«
Justin hielt ihn Claire immer noch hin. Sie griff nicht danach und würdigte ihn kaum eines Blickes. »Ich habe keine Ahnung, wovon du da schwafelst«, sagte sie. »Ich bin immer noch hungrig.«
»In der Küche ist frisches Obst«, sagte Helene.
»Ich will kein Obst«, erwiderte Claire. »Gibt es in diesem Haus denn nichts Anständiges zu essen? Wo ist die Schokolade?«
»Oma«, rief sich Justin in Erinnerung, der den Ring nach wie vor in der Hand hielt. Claires Reaktion verwirrte ihn völlig. »Wir haben diesen Ring in deiner Jackentasche gefunden. Max wird sich wirklich wahnsinnig
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