Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
man ihm die Füße, sang man Lobeshymnen über ihn und erzählte man der Welt von seiner Größe? Sie vermutete, dass man all das tun sollte, allerdings hatte er ihr Letzteres verboten. Was keinen Sinn ergab. Bisher weigerte sich die Welt einzuräumen, dass überhaupt möglich sei, was er bereits vollbracht hatte. Die Welt musste von diesem freundlichen und bescheidenen Mann erfahren, der keine Anerkennung für sich, sondern nur ein Heilmittel für sie – und Millionen andere wie sie – bieten wollte.
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Helene betrat die Wohnung, warf ihre Schlüssel in die Kristallschale unter dem Kronleuchter und schlang ihre Jacke über die Rückenlehne eines der Küchenstühle. Dann ging sie dazu über, die Arbeitsfläche der Insel planvoll sauber zu wischen, immer und immer wieder. Durch die Neuigkeit von der Heilung ihrer Mutter fühlte sie sich wie benommen; die gleichmäßigen Bewegungen halfen ihr, sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, die sich daraus ergaben.
Obwohl Helene aus nächster Nähe miterlebt hatte, wie drastisch sich Claires Zustand verbessert hatte, schien eine völlige Genesung immer noch zu weit hergeholt, um sie als gegeben anzunehmen. Sie hatte einige Menschen gesehen – und Berichte über andere gehört –, die ihre letzten Tage mit frischem Enthusiasmus und sogar Hyperaktivität verbracht hatten, doch das war nur ein Zeichen für die Nähe des Todes gewesen. Bei ihrer Mutter verhielt es sich völlig anders – sie war vollständig geheilt. Die Auswirkungen dieses Umstands überstiegen beinah Helenes Verstand.
Dies war groß. Es war größer als groß – gewaltig, riesig, erderschütternd ... und genau die Art von Sensation, die ihre Sendung wieder beleben und sie an die Spitze der Quotenlisten befördern könnte. Diese Geschichte wäre unschlagbar; sie hätte eine Exklusivstory, wie es sie noch nie gegeben hatte. Danach könnten die Bosse des Senders sie nie mehr absetzen.
Und es war ihre Mutter! Sie durfte sich also über das Glück erstaunlicher Gene freuen.
DER UNBEZWINGBARE KÖRPER. Sie konnte die Schlagzeile auf der Titelseite der New York Times förmlich vor sich sehen, darunter ein Bild von ihr an Claires Seite, ihre Hand liebevoll auf der Schulter ihrer Mutter. Der unbeugsame Geist liegt in der Familie . CUMMINGS SENDUNG ENTHÜLLT HEILMITTEL GEGEN KREBS, würde die Daily News ankündigen. CUMMINGS BRINGT UNS EIN ALLHEILMITTEL, würde die Post titeln, gefolgt von CUMMINGS WELTWEIT IN ALLER MUNDE, wenn ihre Sendung zur unangefochtenen Nummer eins aufstieg. Ihre Zeit war gekommen. Nun brauchte sie nur noch Dr. Viviee davon zu überzeugen, dass für ihn dasselbe galt.
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»Nicht, Justin«, sagte Madeline und schob seine Hand von ihrem Unterarm.
»Ach, komm schon«, gab er zurück und beugte sich vor, um die Lippen mit jenen der Frau seiner Träume zu vereinigen. »Ich bin verrückt nach dir, Madeline. Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken. Die ganze Zeit sitze ich bloß rum, denke an dich und warte darauf, dass du nach Hause kommst.«
»Justin, wir müssen dich öfter aus der Wohnung schaffen«, erwiderte sie. Obwohl sie ihn zurückschob, lächelte sie von Ohr zu Ohr, als sie aufstand und durch das Zimmer ging. Er wusste, dass sein Charme wirkte.
»Was soll ich bloß tun, wenn deine Eltern zurückkommen und du zurück nach Hause musst? Wären wir älter, würde ich dich bitten, bei mir einzuziehen.«
»Du bist vollkommen verrückt.«
»Nein. Nur verrückt nach dir. Und du kannst mich nicht leiden.« Dramatisch ließ er sich auf die aufgetürmten Kissen zurückfallen und streckte die Arme aus – eine Einladung.
»Ach, hör auf damit, du Blödmann. Du weißt genau, dass ich auch verrückt nach dir bin.«
»Warum zeigst du es mir dann nicht?«
»Tu ich wohl«, entgegnete sie leicht verärgert. »Ich will nur nicht, dass du es zu stürmisch angehst.«
»Na schön, ich werde deine Brüste nicht anfassen«, sagte er. »Niemals.« Kurz setzte er ab, dann fügte er in Mitleid haschendem Tonfall hinzu: »Ich will doch nur, dass du dich gut fühlst. Ist das ein Verbrechen?«
»Gib’s auf, Justin. Es wird heute nicht passieren.«
»Oh, Gott sei Dank«, meinte er und faltete die Hände wie zu einem Gebet. »Dann besteht Hoffnung für morgen.«
Madeline kicherte, und er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war.
»Falls du dich mal kurz auf etwas Wichtigeres konzentrieren kannst – ist dir klar, dass wir miterleben, wie Geschichte geschrieben wird?«
Justin brauchte
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