Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
verschafft mir die Ehre?«, fuhr er fort und reichte Petra die Hand.
Sie machte sich gleich zur Wortführerin, auch, als er diefremde Frau begrüßte. »Entschuldige, dass wir hier so hereinplatzen. Das ist meine Freundin Laura, von der ich dir schon mal erzählt habe. Die Taubstumme.« Die fremde Frau lächelte und sah ihm ständig auf den Mund. »Haben wir dich gestört?« Petra hielt sich eine Hand vor die Brust. »Puh! Es war alles so dunkel hier! Da bin ich eben richtig erschrocken.«
»Kein Grund zur Panik, Petra.« Lankau stopfte sich das Hemd in die Kniehose. »Ich war bloß eingeschlafen. Das konntet ihr ja nicht wissen.«
Irgendwie passten Petra und diese fremde Frau nicht zueinander. Und Petra hatte ganz bestimmt noch nie von einer Freundin namens Laura erzählt – schon gar nicht von einer, die taubstumm war. Petra Wagner sprach so gut wie nie über den Teil ihres Privatlebens, der nichts mit Gerhart zu tun hatte. Wenn sie mit Arno von der Leyen unter einer Decke steckte, dann hatte der sie hierher geschickt. Das war durchaus eine Möglichkeit.
Dann lag er vielleicht da draußen in der Dunkelheit auf der Lauer.
»Ich hatte deine Telefonnummer nicht.« Petra zuckte mit den Achseln. »Und zu Hause war auch keiner von euch. Da dachte ich, komm ich halt einfach hier heraus.«
»Und siehe da – ich bin hier. Was kann ich für dich tun?«
»Sind Kröner und Stich hier?«
»Nein. War das alles, was du wissen wolltest?«
»Ich möchte wissen, was auf dem Schlossberg passiert ist.«
»Warum?«
»Weil ich sichergehen will, dass Arno von der Leyen für immer weg ist. Sonst komme ich nicht zur Ruhe.«
»Ach, nein?« Lankau lächelte.
»Ist er tot?«
»Tot?« Lankaus Lachen klang wie Prahlen. Versuchte Petra gerade, ihn in eine Falle zu locken? Das würde ihr nicht gelingen. »Nein, tot ist er ganz bestimmt nicht!«
»Und? Wo ist er jetzt?«
»Keine Ahnung. Hoffentlich in einem Flugzeug irgendwohin möglichst weit weg von hier.«
»Das verstehe ich nicht. Er war doch auf der Suche nach Gerhart. Was ist denn auf dem Schlossberg passiert?«
»Was da passiert ist? Das weißt du doch. Er hat seinen Gerhart gefunden.« Lankau lächelte, als er ihren verständnislosen Blick sah, und klatschte in die Hände. »Was soll schon passiert sein? Mein ältester Sohn hat heute Nachmittag ein kleines Messingschild graviert. Inschrift: ›Zum Gedenken an die Opfer des Bombenangriffs auf Freiburg im Breisgau am 15. Januar 1945‹. Das hat er an einem kleinen Pfosten befestigt, und den hat er beim Säulengang in den Erdboden geschlagen.« Lankau lächelte immer noch. »Ist wahnsinnig geschickt, mein Rudolph!«
»Und dann?«
»Dann hat er den Pfosten zwei Stunden später wieder ausgegraben. Jemand hatte ein paar Blumen davor abgelegt. Rührend, oder?« Lankau grinste. Die Frauen sahen ihm direkt in die Augen. Seine Erfahrung sagte ihm, dass es kaum möglich war, zu zweit eine homogene Lügengeschichte aufzutischen. Und erst recht nicht, wenn es sich um Frauen handelte. Wenn Arno von der Leyen tatsächlich irgendwo da draußen lag und auf eine günstige Gelegenheit wartete, würde Lankau es den Frauen ansehen. Dann wären sie nämlich deutlich wachsamer, würden häufiger um sich blicken. Und sie wären angespannter. Lankau war sich jetzt sicher, dass er mit ihnen alleine war – was aber nichts an der Tatsache änderte, dass er ihnen nicht über den Weg trauen konnte. Nur Petras Anflug von einem Lächeln sah echt aus.
Sie wirkte erleichtert.
»Wann hat Rudolph das Messingschild denn wieder abgeholt?«, wollte sie wissen.
»Wieso fragst du?«
»Weil wir so gegen sechs da oben waren, und da war nichts zu sehen.«
»Dann hat Rudolph eben sehr gründlich aufgeräumt. Ist ein guter Junge. Und warum wart ihr da?«
»Aus demselben Grund, aus dem wir jetzt hier sind. Wir wollten erfahren, was passiert ist. Sonst können wir nicht zur Ruhe kommen.«
»Wir?«
»Na ja, ich meine natürlich
ich
. Sonst kann
ich
nicht zur Ruhe kommen.« Sie korrigierte sich für Lankaus Geschmack ein wenig zu betont. »Aber so etwas färbt ja immer auch auf die anderen ab. Laura ist gerade zu Besuch«, fuhr sie fort. »Sie wohnt bei mir.«
»Und wie viel weiß diese Laura, wenn ich fragen darf?«
»Gar nichts, Horst. Absolut gar nichts, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Sie bekommt auch sonst nicht so besonders viel mit, weißt du.« Petra lächelte so ungezwungen, dass Lankau ihr das abnehmen konnte.
»Warum hast
Weitere Kostenlose Bücher